RelationShip

Online-Today - Fortsetzung: Oktober 1998: Seite: 3/4


Die Zweifel anderer jedoch kann er gut verstehen. 'Wenn man mitbekommen hat, wie das Projekt entstanden ist, darf man sich ruhig wundern.'
Offiziell will die Fachhochschule mit 'The RelationShip' 'die Erforschung neuer Wege automatisierter Steuerung und der Fernsteuerung autonomer Systeme' vorantreiben. Mit den in Furtwangen entwickelten Techniken wird es irgendwann möglich sein, Segelschiffe so auszurüsten, dass sie ihren Weg über die Meere von ganz allein finden.

Japanische Tanker können das bereits, mit Segelschiffen aber wurde das noch nie probiert. Dabei wären gerade sie für einen unbemannten Güterverkehr interessant: Wer mit dem Wind fährt spart Energiekosten und schont die Umwelt. Ungeahnte Aufgaben fürs Internet!

Das wirtschaftliche Potential und das mit dem Erfolg des Projekts verbundene Renommee sind so gross, dass Erwin Teufel, Ministerpräsident Baden-Württembergs, spontan die Schirmherrschaft übernahm. Aussenminister Klaus Kinkel sprach von einem 'international wichtigen Projekt', liess das Forschungsschiff per Bundeswehr-Hubschrauber vom Schwarzwald an den Rhein transportieren und nahm sich für sein persönliches Erscheinen zur Präsentation der 'RelationShip' auf der Düsseldorfer Messe 'boot' im Januar sogar einen ganzen Tag Zeit. Dabei hatten es die Furtwanger ursprünglich gar nicht auf wissenschaftliche Lorbeeren abgesehen.

Sie brauchten vor allem Publicity. Klassischen Studiengängen wie Maschinenbau und Feinwerktechnik gingen die Studenten aus: 'Für Studienanfänger ist der Standort des Instituts nämlich oft wichtiger als die Qualität', erklärt Projektleiter Jürgen Wentworth. 'Und im Vergleich zu Hamburg oder Berlin haben wir ausserhalb der FH nur wenig Amüsement zu bieten.'

Im März 1997 wurde deshalb der aus 60 Professoren bestehende Senat einberufen. Thema: Wie wird die FH attraktiver ? 'Und auf dieser Sitzung', erzählt Iwan, 'stand plötzlich Professor Schmid auf und schlug vor, einen Renntrimaran zu bauen, der Internet-gesteuert um die Welt fährt.' Die Profs glaubten, nicht richtig gehört zu haben: Wie das gehen soll, wo doch niemand in Furtwangen irgend etwas von der Seefahrt verstehe? Eine Frage, die heute fast lächerlich wirkt.

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Denn Schmid, von den fünf als eine Art 'charismatischer Phantast' beschrieben, redete und redete - bis schliesslich auch der letzte der studierten Nichtsegler begeistert war. 'Und als Schmid dann Tatsachen schaffte und den amerikanischen Trimaran-Konstrukteur Dick Newick mit dem Entwurf eines Bootes beauftragte, da verfielen wir dann alle in eine Art Bootsbau-Rausch', erzählt Wentworth.

Der Hausmeister sägte die Latten, Profs und Studis leimten, harzten, hämmerten und knobelten an der Technik. Neun Monate später war der Trimaran fertig. Ein Gemeinschaftsprojekt, dem die Marketingfachleute der FH zuerst einmal einen werbewirksamen Unterbau verpassten: Sie nannten das Schiff 'The RelationShip' - das steht für die Verbindung, die das Schiff zwischen den Menschen schaffen soll. Denn schliesslich bestehe die Crew nicht nur aus vier Computern und drei Videokameras, sondern aus den Millionen von Surfern, die die Fahrt des Schiffes im Internet verfolgen sollen.
Motto: 'Be part of the challenge!'

Wie gross die Herausforderung wirklich ist, bekommen alle Beteiligten allerdings erst nach und nach zu spüren. Beispiel Satellitenleitung: Um das Schiff von der rund um die Uhr besetzten Leitstelle in Furtwangen aus navigieren zu können, braucht man eine Standleitung ins All.
Kosten pro Stunde: 400 Mark. Rechnerische Kosten für die ganze Reise: 3,5 Millionen Mark. Ein Sponsor hierfür wurde noch nicht gefunden. Das schreckt die Seefahrt-Pioniere jedoch nicht. Wentworth: 'Wir spekulieren darauf, dass die Telekom das übernimmt. Schliesslich sind wir werbewirksam.'
Und wenn die es nicht tut, würden ja genug Telekommunikationskonzerne nur darauf warten, der Telekom vors Schienbein zu treten. Da muss dann wieder das Hausmotto ran: Nicht drum kümmern, Tatsachen schaffen. 'Wenn man erst mal los ist, wir sich schon jemand finden.'

Zweites Beispiel: das Seerecht. Danach muss jedes in internationalen Gewässern fahrende Schiff in der Lage sein, anderen, in Seenot geratenen Schiffen zu helfen. Dass es irgendwann mal unbemannte Schiffe geben könnte, hatten die Väter des Gesetzes nicht geahnt. Da greift dann auch das Hausmotto nicht mehr.

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