RelationShip

Online-Today - Fortsetzung: Oktober 1998: Seite: 2/4


Verspätet sich das Schiff allerdings, stehen die Chancen schlecht. Dann haben wir es nämlich mit zehn statt nur mit drei Meter hohen Wellen zu tun, müssen mit brutalen Stürmen rechnen und laufen ständig Gefahr, auf Eisschollen aufzulaufen.' Die kann nämlich weder die Bordautomatik noch die Furtwanger Leitzentrale auf dem Radarbild klar erkennen. 'Wenn der Trimaran schnell genug ist, schlägt so eine Scholle das ganze Vorschiff weg.'

Dass 'The RelationShip' schnell ist, hat sie bei der verunglückten - und noch bemannten! - Testfahrt schon bewiesen. Die Auswertung der Rechnerdaten ergab: Am 6. August gegen 21.30 Uhr durchschnitt sie bei Windstärke 8 und etwa vier Meter hohen Wellen mit exakt 16,8 Knoten den Atlantik vor der nordspanischen Küste. 'Das muss wie Rodeo gewesen sein', sagt Möhlmann. 'Normale Segelboote fangen bereits bei neun Knoten an zu vibrieren.' Um 21.37 Uhr war der Trimaran zu schnell. Der Druck wurde zu gross, die Ruderwelle verdrehte sich, die Yacht schoss in den Wind. Innerhalb von zehn Sekunden machte das Boot keine Fahrt mehr. Möhlmann: 'Das war wie eine Autovollbremsung bei Tempo 200!'

Manövrierunfähig musste der High-Tech-Segler in den Hafen von La Coruna geschleppt werden. Einen Vorteil allerdings hatte der Unfall: 'Wir wissen jetzt, bei welchen Druckverhältnissen die Lage kritisch wird. Diese Daten können wir in den Computer eingeben, der das Schiff bei Erreichen der kritischen Werte dann gar nicht erst schneller werden lässt.'

In Furtwangen schrillten noch in der Nacht die Alarmglocken. Ein Reparaturteam und ein Werkstattwagen mussten nach Spanien. Das Team war schnell gefunden. Die fünf Laborleiter hatten sich bereits bei der Präsentation des Schiffes auf der 'boot' in Düsseldorf verdient gemacht. 'Da haben wir für den Messestand in nur vier Tagen einen Kilometer Stahlrohr verschweisst!'

Einen geeigneten Wagen zu finden, war allerdings gar nicht so leicht:
er musste gross genug sein, um eine komplette Werkstatt mitzunehmen. Ausserdem durfte er nicht viel kosten. Und man brauchte ihn schnell.

Beziehungen halfen. Ein Furtwanger Unternehmer stellte der FH einen in der Sowjetunion gebauten Ural zur Verfügung.

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Mit dem hatte die Nationale Volksarmee (NVA) zu DDR-Zeiten im Feld versackte Panzer repariert. Allerdings: Papiere gab's nicht.

Obendrein musste der über acht Tonnen schwere Gelände-Lkw von Grund auf überholt werden. Die Bundeswehr versprach, das zu übernehmen, liess die Weltumsegler dann aber im Stich. Also mussten die Laborleiter ran: 'Das hat uns um mindestens eine Woche zurückgeworfen', schimpft Andreas Iwan.
'Wenn uns das Regierungspräsidium nicht eine Sondererlaubnis gegeben und der TÜV für unser Projekt sehr viel Sympathie gezeigt hätte, wären wir heute noch nicht hier.'

Eigentlich klar, dass auch die Fahrt nach Spanien nicht reibungslos verlief: Nach 500 Kilometern zerfetzte es bei Tempo 80 einen der überhitzten Russen-Reifen. Die restlichen 1500 Kilometer wurden mit Tempo 50 zurückgelegt. 'Sicher ist sicher. Für die Kiste kriegen wir nämlich nirgendwo ein Reserverad.' Doch im Rückblick lohnte es sich wieder mal: Während die fünf Ingenieure fünf Tage lang die Autobahn gen Süden hinunterschlichen, wurde in Furtwangen entschieden, nicht nur das Ruder auszutauschen, sondern auch die Elektronik des Schiffes auf einen möglichen Handbetrieb umzubauen.
Für den 37 Tage dauernden Trip von Chile nach Brasilien nämlich muss aus rechtlichen Gründen eine zweiköpfige Crew an Bord. 'Und bei der Testfahrt hierher hat sich gezeigt, dass die auch im Notfall kaum was machen konnte, weil das Schiff auf Vollautomatik ausgelegt war.' Ausserdem sollte eine schnellere Ruderanlage eingebaut werden, um das Boot in Risikosituationen manövrierfähiger zu machen.

Arbeiten die nur schlecht aus dem Kofferraum heraus erledigt werden können. Der NVA-Wagen bewährte sich: 'Der Ural fährt sich zwar blöd, seine Werkstatt aber ist klasse!.'
Zweifel am Gelingen des Projektes hat von den fünf am Kai tüftelnden Männer keiner: 'Wenn wir nicht zu hundert Prozent von unserem Erfolg überzeugt wären, stünden wir jetzt nicht hier', sagt Andreas Iwan. Schliesslich seien sie Ingenieure. Technische Herausforderungen sind für sie das Salz in der Suppe. 'Was wir vorhaben, klingt zwar unglaublich, ist technisch aber machbar!'

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