RelationShip

Online-Today - Fortsetzung: Oktober 1998: Seite: 4/4


Denn einfach lozufahren, also Tatsachen zu schaffen, wäre riskant: Wenn das Schiff in einen Unfall verwickelt würde, so Projekt-Erfinder Reiner Schmid, käme es zu einer Seerechtsverhandlung. 'Von den Unfallkosten mal abgesehen, hätten wir dann eine Seegerichtsverhandlung am Hals, für die keine Versicherung der Welt bezahlen würde.' Das US-Verkehrsministerium habe bereits angekündigt, 'The RelationShip' zu beschlagnahmen, wenn sie US-Gewässer kreuze. 'Ziemlich unsportlich', wie die Männer am Pier finden. Denn die 'Hyperion', Inter-net-Yacht von Netscape-Mitbegründer Jim Clark, steht ebenfalls kurz vor dem Auslaufen. Die Gefahr, von Piraten überfallen zu werden oder mit Walfischen, treibenden Containern oder Eisbergen zu kollidieren, ist dagegen kaum erwähnenswert. Im Gegenteil: Ein Piratenüberfall würde zumindest den Marketingleuten sogar gut ins Konzept passen. Dann könnte man zumindest sagen, dass die Technik einwandfrei funktioniert habe.

Probleme mit der an Bord montierten Hochtechnologie erwartet niemand. Die Software läuft, der Radarrechner, der Videorechner und die beiden Prozessrechner arbeiten einwandfrei, die drei Kameras liefern gestochen scharfe Bilder. und auch die umgebaute Mechanik springt sofort an. Kopfzerbrechen bereitet nur noch das Schwert.
Laut Konstruktionsplan sollte es ein paar Quardratzentimeter grösser sein, als es tatsächlich ist: 'Aber wir haben den Platz im Rumpf für zwei Dieselaggregate gebraucht und das Schwert deshalb entsprechend kleiner gemacht.' Ob es vergrössert werden muss, ist Ansichtssache. Die Techniker meinen nein, die Segler behaupten ja.

Zeigen muss sich auch noch, ob die Wasserkühlung für die Computerschränke funktioniert. Eine einfache Schlauchkonstruktion, durch die am Rumpf angesaugtes Meerwasser fliesst: 'Aber die ist mit das Wichtigste an Bord', erklärt Programmierer Armin Schröer(36). Denn wenn die Innentemperatur auf mehr als 50 Grad ansteigt, überhitzen die Geräte. 'Und wenn das passiert, dann läft gar nichts mehr. Ein Rechnerausfall würde das Projekt beenden.' Die fünf Laborleiter schreckt dieser Gedanke nicht: 'Dann tauschen wir den Ural eben gegen ein Werkstattboot und dampfen wieder los!'
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Weitere Information:


Das Innere: Platz ist nur für Technik

Bei zwei der insgesamt neun Etappen um die Welt muss 'The RelationShip' aus Sicherheitsgründen bemannt gesegelt werden: auf der 5269 Meilen langen Strecke zwischen Auckland und Punta Arenas und auf dem 730 Meilen langen Törn von Irland nach Wilhelmshaven. Kein Spass für die zwei dann an Bord lebenden Segler, denn für Menschen ist auf dem High-Tech-Segler kaum Platz. Vor dem Ruder gibt es den einen Quadratmeter grossen abgegitterten Stehplatz, unter Deck muss eine zwei Meter lange und rund ein Meter breite Röhre als Schutzplatz genügen.
Der für die Rechner und Mechanik benötigte Strom wird zu einem geringen Teil von Sonnenkollektoren erzeugt, Hauptantriebsquelle sind zwei im Rumpf eingebaute Dieselaggregate. Problem: Der Tank fasst nur 400 Liter Diesel. Wenn das Schiff häufige Kurswechsel durchführen muss, kann es daher zu Versorgungsschwierigkeiten kommen. Der 14 Meter hohe, 84 Kilogramm schwere Kohlefasermast der 'RelationShip' kann um 360 Grad gedreht werden - eine auf der Welt bisher einzigartige Spezialkonstruktion.


Der Leitstand im Schwarzwald

Wassertemperatur, Windstärke, Wellenhöhe, Segelstellung, Geschwindigkeit, Radarbilder, Position - alle für das Segeln des Schiffes relevanten Daten werden von den an Bord eingebauten Rechnern und Sensoren via Satellit an den Leitstand in Furtwangen weitergegeben. Alle zehn Sekunden werden neue Werte genommen, alle drei Minuten neue Bilder geschickt, die automatisch auch im Internet aktualisiert werden. Fährt ein Schiff vorbei, können die 'Kapitäne' im Schwarzwald den Kurs per Mausklick oder Joystick ändern. Passt die Leitzentrale nicht auf, übernimmt der Radarrechner das Kommando. Er erkennt das Hindernis und weist den Prozessrechner an, die nötigen Kurskorrekturen vorzunehmen. Einzige Schwachstelle: Eisschollen, knapp unter der Wasseroberfläche schlafende Walfische und über Bord gegangene Container kann der Radar nicht erkennen. In solchen Fällen muss Furtwangen die Navigation via Kamera übernehmen.

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