RelationShip

Online-Today Oktober 1998
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Captain Computer

Die Fachhochschule Furtwangen will eine unbemannte Yacht um die Welt segeln - per Internet. Reportage über ein 'unmögliches' Projekt.

Die Online-Yacht: Sie fährt um die Welt, ohne Besatzung, ferngelenkt aus dem Schwarzwald. Eine Sensation - wenn's klappt.

Text: Philip Alsen

'Verdammt, der Abstand ist noch 'nen Millimeter zu gross! Da muss mindestens noch eine Lage Glasfaster rein!' Rolf Aberle(39) hat die Nase buchstäblich gestrichen voll. Seit fast einer Stunde schleift er nun schon am neuen Abweiser der 'RelationShip' herum, der das Ruder vor Treibgut schützen soll. Aberles Haare, Gesicht und T-Shirt sind mit Schleifstaub bedeckt, die Nase kitzelt, und weil er keine Schutzbrille trägt, blinzelt er jetzt mehr, als dass er sieht. 'Mist! Wieso haben sie das Ding nicht schon in Furtwangen eingebaut?" Schleifen gehört nicht gerade zu den Lieblingsbeschäftigungen des Mannes. Eigentlich ist er Laborleiter an der Fachhochschule Furtwangen. Spezialgebiet Feinwerktechnik. Da schleifen computergesteuerte Präzisionswerkzeuge. Und statt hier selbst zum Schleifblock zu greifen, müsste er sich jetzt auf das neue Semester vorbereiten. Geht aber nicht: 'Erst wollen wir dieses Schiff hier wieder auf Vordermann bringen!'

'Wir', das sind Aberle und seine vier Freunde und Kollegen, mit denen er hier gemeinsam an der Pier des nordspanischen Yachthafens von La Coruna werkelt. Allesamt sind sie Laborleiter an der Fachhochschule und nautisch eher unbedarft. 'Als Schwarzwäldern liegt uns das Wasser nicht so ganz.' Trotzdem haben sie alle Chancen, in die Geschichte der Seefahrt einzugehen. Denn sie helfen mit, ein anfangs von aller Welt belächeltes Projekt zu verwirklichen: Das Schiff, das sie 'auf Vordermann' bringen, soll unbemannt um die Welt segeln. Ferngesteuert über Satellit, beobachtet via Internet: 'Das ist in erster Linie ein technisches Problem. Segeln können müssen wir dafür nicht.'

___ Wind, Wetter und Meer sind in ihrem Verhalten schliesslich messbar. 'Und wenn man etwas messen kann, kann man es auch einem Computer einprogrammieren, der dann alle Manöver durchführt, die auch ein Segler machen würde.'

Andere sehen das nicht so: 'Gott, was mussten wir uns alles anhören. Auf der Bootsausstellung in Düsseldorf und später nach der Überführung in Wilhelmshaven standen ständig irgendwelche Segler und selbsternannte Experten um uns herum, um uns zu erzählen, dass das Schiff unmöglich über Helgoland hinauskommt.'
Der Leiter der Jadewerft wollte sogar wetten, dass 'The RelationShip' noch vor dem Jadebusen stranden würde. Denkste! eine leichte Havarie gab's zwar, aber erst in Spanien. Der Skeptiker kriegt jetzt 'ne Karte: 'Schöne Grüsse aus La Coruna!'

Allzuviel Musse, den Spöttern eine lange Nase zu drehen, haben die fünf allerdings nicht. Die Zeit drängt. La Coruna ist nur ein unfreiwilliger Stop auf der Strecke nach Lissabon, wo 'The RelationShip' schon Anfang September erwartet wurde.

'Das ist die schwierigste Route, die es gibt', erklärt Volker Möhlmann. Der selbstständige Ingenieur aus Furtwangen, selbst passionierter Segler, ist einer der Sponsoren des Projektes. Er hat die Navigations-Software geschrieben und soll das Schiff nach Lissabon segeln:

'Wenn wir bis Dezember in Afrika sind, erwarten wir überall auf der Strecke Hochsommer.
Dann schaffen wir es!'

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