Dienstag, den 4.August:
Wir liegen in L´Aber Wrac´h / Frankreich. Am späten Vormittag
lösen wir die Leinen, um den Tri quer über die Biskaya nach
Spanien zu bringen. Nachdem letzte Woche eine Front nach der anderen
über die Biskaya gezogen ist, sind die Wetterprognosen unerwartet
günstig: Heute NW 3-4 Bft, morgen N 4-5 und übermorgen NE 5-6.
Ein Hochdruckkeil hat sich festgesetzt und das Barometer zeigt über
1035 hPa. Von Sonntag auf Montag hatten wir den Tri bereits von Lezardieux
hierher gebracht und konnten das Boot einen Tag und eine Nacht testen. Wie
bekannt sind die Amwindeigenschaften schlecht, so daß man maximal
halbwind fahren kann. Außerdem wird der Außenborder
dermaßen durchs Wasser geschleift, daß es fraglich erscheint,
ob er nach längerer Fahrt wieder anspringen würde. Nun ja, die
Wikinger konnten auch nicht kreuzen, hatten gar keine Maschine und sind
trotzdem nach Amerika gekommen (behauptet man jedenfalls). Man muß
eben nur auf den richtigen Wind warten.
Montags blies es dann mit 6 Bft aus SW, also ziemlich genau aus der
Richtung in die wir wollen. Das Wetter lies uns also Zeit, den Tri noch
etwas aufzurüsten: Insbesondere montierten wir eine Glaskuppel, die
es ermöglichen soll, auch bei geschlossenem Luk noch etwas zu sehen.
Die Steuerposition ist in jeder Hinsicht gewöhnungsbedürftig:
Man sitzt einen guten halben Meter über der Wasseroberfläche
in einem 60cm*60cm großen Luk. Von vorne und an den Seiten
schützt eine Persenning, dahinter bietet die INMARSAT Antenne eine
hervorragende Rückenlehne. Wie trocken man in
diesem Luk bei Seegang bleiben würde, ist mir nicht ganz klar -- aber
dafür gibt es jetzt die erwähnte Glaskuppel. Als Sitz verwenden
wir einen Fender, gesteuert wird mit dem Fuß an einem Rad, das man
eher an einem Spielautomaten vermuten würde. Die Reaktionszeit der
Ruderhydraulik entspricht sowieso mehr der eines Supertankers.
Bei allen Zweifeln, der Tri liegt stabil im Wasser, wir haben genügend
Proviant gebunkert und der Wind ist günstig also Leinen los und Kurs
auf Capo Finisterre (= 'Ende der Welt'), dem nordwestlichsten Punkt
Spaniens. Zielhafen ist Bayona bei Vigo.
Mittwoch, den 5. August
Am ersten Tag beschäftigte uns noch etwas die Navigation entlang der
Bretagneküste, die Optimierung des Segeltrims und ein Rudel Delphine.
Doch dann weicht alles dem unausweichlichen 3 Stunden Rhythmus: 3 Stunden
wachen, 3 Stunden schlafen. Wir führen eine Strichliste ein, auf der
wir alle nennenswerten Begebenheiten dokumentieren: 43 Frachter, 5
Segelyachten, 12 Delphine und 6 Möwen werden gesichtet und 3
Breitengrade überquert.
Das Leben unter Deck gleicht mehr dem Aufenthalt in einer großen
Backskiste. Hinten arbeitet der Autopilot ununterbrochen und
unüberhörbar, vorne springt in regelmäßigen
Abständen einer der beiden Dieselgeneratoren an und verbreitet neben
einer angenehmen Wärme 'nur ganz wenig Abgase'.
Donnerstag, den 6. August
Um Mittag haben wir mehr als Dreiviertel der Biskaya hinter uns. Die
Abwärme der Generatoren kommt mir inzwischen sehr gelegen, denn
der Aufenthalt an Deck ist äußerst feucht geworden. Wie
vorhergesagt hat der Wind auf NE gedreht und frischt am abend noch auf
6-7 Bft auf. Der Tri ist erst jetzt so richtig in seinem Element, denn
das 40 qm Segel entspricht einem 1-2 fach gerefftem Standardsegel. Im
Schnitt machen wir 9 Knoten Fahrt, in den Wellen surfen wir manchmal mit
13 oder 14 Knoten ins Tal. Die See hat sich inzwischen etwas aufgebaut und
der Sitzplatz auf dem Fender ist entsprechend naß geworden.
Plötzlich klatscht mir ein Brecher ins offene Luk, so daß
ich das Gefühl habe, bis zum Bauch im Wasser zu stehen. Die Lenzpumpe
arbeitet gut...
Am besten also aufstehen. Eingehängt stehe ich auf dem Deck und
stelle mir vor auf einem fliegenden Teppich zu reiten. So muß das
wohl auch für den Fischer aussehen, der uns in der Dämmerung in
einiger Entfernung passiert: Durch den Seegang kann ich nur den oberen
Teil seines Bootes sehen, dementsprechend wird der Fischer kaum den Rumpf
unseres Trimarans sehen. Die gesamte Erscheinung reduziert sich auf ein
Segel, hinter dem ein Verrückter steht, der ihm zuwinkt. Ich
weiß nicht warum, aber irgend etwas hat ihn bewogen mit seiner
Signalpistole weiß zu schießen.
Um Mitternacht haben wir ein Etmal von 166 Meilen hinter uns und sind
ca. 40 Seemeilen vor Capo Finisterre. Das Segeln macht richtig Spaß,
denn der Tri läuft gut -- fast zu gut.
Freitag, den 7. August
Nach dem Wachwechsel um 00:00 Uhr steuert Reiner ein bißchen von
Hand und bemerkt bald, daß er nicht mehr nach Steuerbord abfallen
kann. Wir schalten auf Handsteuerung um, jedoch ohne Erfolg. Nacheinander
öffnen wir erst das Ventil der Hydraulik und entfernen
schließlich einen Bolzen, um direkt mit der Notpinne steuern zu
können. Kurzfristig läßt sich das Ruder noch etwas bewegen,
dann scheint es vollkommen festgefressen zu sein -- und zwar leider so,
daß wir nur noch im Kreis segeln können.
Also Segel bergen, d.h. dem PC den Befehl geben dies zu tun. Irgendwann
ist das Segel dann auch unten. Durch Drehen von Mast und Baum können
wir den Tri sogar so trimmen, daß wir mit ca. 1,5 Knoten in eine
bestimmte Richtung driften, denn wir wollen weder auf Legerwall geraten
noch in das Vekehrstrennungsgebiet vor dem Kap. Das UKW-Funkgerät
funktioniert freundlicherweise auf Kanal 16, so daß ich die
'Capo Finisterre Trafic Control' davon unterrichten kann, daß wir
manövrierbehindert in der doch recht stark befahrenen Frachterroute
treiben.
Am Morgen bläst nur noch eine leichte Brise aus Ost. Wir untersuchen
noch einmal das Ruder. Dann setzen wir das Segel und versuchen durch
Segeltrim zu steuern, was sich jedoch in Kreisen endet. Als nächstes
versuchen wir den Außenborder zu starten. Wie erwartet, springt der
Motor nicht an. Auch ein Zündkerzenwechsel, der bei diesem Seegang
gar nicht so einfach ist, hilft nicht weiter. Da wir im Gegensatz zu den
Wikinger doch nicht nach Amerika wollen, bitte ich die 'Capo Finisterre
Trafic Control' um Schlepphilfe. In weniger als einer Stunde ist auch ein
Schlepper da, der uns auf Wunsch nach La Coruna bringt. Bei einer
Schleppgeschwindigkeit von ca. 6 Knoten dauern die restlichen 30
Seemeilen fast fünf Stunden. Im alten Yachtclub von La Coruna sehen
wir, daß das Ruder quersteht und um ca. 30 Grad nach hinten verbogen
ist.
Florian Sellmaier