Ein Schiff ganz allein auf großer Fahrt: Mit modernster
Computer-Technik an Bord wird ein Trimaran unbemannt um die Welt geschickt.
Die Steuermänner: Satelliten, Computer, Kameras und die Fachhochschule
Furtwangen. Die Zuschauer: alle Internet-Surfer, da der Törn live
via Netz übertragen wird.
Die Sonne versinkt in einem Meer aus Orange und Gelb. Abendstimmung
unter Palmen am Strand, könnte man meinen. Doch das Häuflein
Bootspassagiere bibbert vor Kälte, im Hintergrund durchzieht
mit dumpfem Tuckern ein Rheinfrachter gemächlich die ölige
Wasserfläche und verschwindet geisterhaft in einer Nebelbank.
Mit Romantik jedoch hat die abendliche Szene nichts zu tun, die sich im
Januar in der Nähe von Karlsruhe abspielt. Vielmehr startet der
weißlackierte Trimaran mit dem Namen 'TheRelationShip' zu einem
knallharten High-Tech-Abenteuer, bei dem Hochleistungscomputer, Satelliten
und auch das Internet die Hauptrolle spielen.
Denn das elf Meter lange Segelboot, das am beschaulichen Oberrhein seine
Jungfernfahrt beginnt, soll in den nächsten zwei Jahren als erstes
Wasserfahrzeug der Welt unbemannt und ferngesteuert die Erde erkunden.
Studenten und Professoren der Fachhochschule Furtwangen, die noch kurz
vor der Abfahrt auf dem Boot herumkrabbeln, sind die Macher, die diesen
Weltrekord aufstellen wollen.
Die ursprügliche Idee stammt von Reiner Schmid, Professor für
Informationssysteme an der Schwarzwaldhochschule und selbst leidenschaftlicher
Hobbysegler. Aufgeschreckt durch rückläufige Studentenzahlen und
Kürzung finanzieller Mittel, kam er darauf, mit einem visionären
Projekt für die Hochschule zu werben. Er begeisterte seine
Professorenkollegen mit dem Vorschlag, ein Boot zu bauen und es ohne
einen Menschen an Bord auf Weltumsegelung zu schicken.
Die Leute aus Furtwangen haben ein Gespür dafür, wie man
Menschen fasziniert: Auf ihrem Roboterschiff soll die ganze Welt mitsegeln.
Mit an Bord sind deshalb zwei bewegliche, hochauflösende Farbkameras,
die Meeresströme, tropische Sonnenuntergänge und meterhoche
Wellenbrecher via Satellit ins Internet funken. Hunderttausende, so hoffen
die High-Tech-Pioniere, werde die Weltreise damit live im Internet
miterleben - Surfen im Internet einmal wörtlich genommen.
|
___ |
Als im April 1997 die Universität die drei Millionen Mark teure
'Relationship' zum offiziellen Hochschulprojekt erklärte, begann ein
emsiges Treiben. Im ersten Stock eines der Gebäude entstand
Deutschlands höchstgelegene maritime Werft - ausgerechnet im
Schwarzwald.
Doch dabei blieb es nicht: Studenten und Informatikprofessoren entwarfen
ein durch Compter und Satelliten gestütztes Kontrollzentrum, von dem aus das Schiff gesteuert wird. Wirtschaftsinformatiker bauten eine Internet-gestützte Server-Farm auf, um sämtliche Beteiligten zu vernetzen. Und die Marketing-Experten der Hochschule übernahmen die Suche nach Sponsoren. Demnächst wird es auch einen Internet-Shop geben, über den man Schiffsmodelle und Fan-T-Shirts bestellen kann.
Als Ende Januar das bauchige Ungetüm auf der Düsseldorfer
Bootsmesse ausgestellt wurde, waren die Schwarzwälder Tüftler
schon weit über Furtwangen hinaus bekannt. Die Idee an einer Hochschule
etwas zu entwickeln, 'das sich in die Praxis umsetzen läßt', so
Schmid, habe sich längst gelohnt: Bundesaußenminister Klaus Kinkel
hat das Projekt wegen seiner völkerverbindenden Aspekte zur Chefsache
erklärt, und der Ministerpräsident, Erwin Teufel, übernahm
die Schirmherrschaft. Sponsoren wie die Software-Firma Lotus oder der
Technologiekonzern Hewlatt-Packard(HP) unterstützen das Projekt
begeistert. HP sponsert beispielsweise Hardware im Wert von 300 000 Mark.
Im Juni geht der Lonesome-Segler erst richtig auf Fahrt. Bis dahin ist
der zwei Tonnen schwere Trimaran noch von einer Crew aus Fleisch und Blut
nach Lissabon überführt worden.Danach übernimmt der
Hochleistungscomputer an Bord das Kommando. Über eine Satellitenanlage
hält er Kontakt mit dem rund um die Uhr von Studenten besetzten
Leitstellen in Furtwangen.
Unbemannt soll das Schiff an Südafrika und Australien vorbei nach
Neuseeland schippern. Dann geht es weiter nach S und
schließlich wird 'TheRelationShip' pünktlich zur Expo 2000 in
Wilhelmshaven erwartet. Ein ausgeklügeltes Programm, das mit Fuzzy-Logik
(intelligente Software) arbeitet und innerhalb vorgegebener Parameter autonom
navigiert, soll das unbemannte Geisterschiff selbst unter schwierigen
Wetterbedingungen durch Atlantikstürme, die windumtosten Breitengrade
des Südpazifiks und die windstillen Gebiete rund um den Äquator
navigieren.
Fortsetzung:
|