Vor einem Monat ist der Trimaran 'RelationShip' zur ersten unbemannten
Weltumsegelung gestartet. Doch das vollständig computergesteuerte
Schiff kämpft mit technischen Problemen.
Von Christian Andresen/AP
Das Schiff war noch nicht fertig gebaut, da rühmte sich der deutsche
Bundesaussenminister Klaus Kinkel die geplante erste Weltumsegelung der
unbemannten, computergesteuerten 'RelationShip' bereits als 'Musterbeispiel
deutscher Innovations- und Wagniskultur'. Er behielt recht, wie sich nun -
nach den ersten Seemeilen - herausstellt. Denn ein Wagnis ist das Vorhaben
der Initiatoren von der Fachhochschule Furtwangen allemal. Die bei solchen
Vorhaben unausweichlichen technischen Probleme haben die Fahrt denn auch
bereits verzögert.
Hochsensible, unerprobte Technik
Gut einen Monat nach dem Start hat das Drei-Rumpf-Boot, ein sogenannter
Trimaran, noch nicht einmal die Hälfte der ersten Etappe von
Wilhelmshaven nach Lissabon zurückgelegt und erst den Ausgangshafen
für die Überquerung der stürmischen Biskaya erreicht.
Technische Probleme hatten immer wieder zu Verzögerungen geführt.
Bereits unmittelbar nach dem Start hatte die 'RelationShip' zu
Abstimmungsarbeiten in die Neue-Jade-Werft nach Wilhelmshaven zurückkehren
müssen.
Angesichts der hochsensiblen und unter den Bedingungen der offenen See
unerprobten Technik hatten die Projektbetreiber jedoch von vornherein
mit Problemen gerechnet und im Zeitplan für die erste Etappe bis
Lissabon entsprechend viel Luft gelassen, wie einer der Initiatoren,
Prof. Johann-Anton Illik, erläutert.
Schwimmender Computer
Das Schiff ist eigentlich ein schwimmender Computer. In Mast, Bug und Heck
sind mehrere Sensoren angebracht, die die erforderlichen Daten zur automatischen
Anpassung der Steuerung an Wind und Wetter liefern. Sie messen beispielsweise,
wie gross der Druck von Wind und Segelfläche auf den Mast ist, wie schnell
das Boot fährt und wie schnell es bei Kursänderungen dreht. Die
Steueranlage analysiert daraus selbstständig die Seebedingungen, legt
den aktuellen Kurs fest, stellt die Segel entsprechend und fährt
die notwendigen Manöver. Mittels dreier schwenkbarer Videokameras kann
das Schiff von zwei Leitsänden in Furtwangen aus, wo man die Kamerabilder
empfängt, rund um die Uhr überwacht werden. Dort werden dem
Schiffscomputer auch die jeweiligen Zielkoordinaten vorgegeben. Die Daten
werden über Satellit übertragen - normalerweise mit 600 bps
(Bit pro Sekunde) über eine Inmarsat-Anlage. Die Kamerabilder werden
mit bis zu 2400 bps über eine gesondert zuschaltbare Inmarsat-M-Anlage
gefunkt.
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Ein Leitstand besteht jeweils aus fünf miteinander vernetzten Personal
Computern und einer DEC-Workstation mit einem 600-MHz-Alpha-Prozessor. Ihre
Monitore zeigen den Wissenschaftlern auf verschiedenen Seekarten die Position
des Bootes an, bilden die Wetterdaten ab, stellen die Ist-Daten des Schiffes
den angestrebten Soll-Daten gegenüber, geben die Bilder der Videokamera
wieder oder stehen für die Programmierung des Internet-Angebots bereit.
Die Reise der 'RelationShip' soll nämlich in der ganzen Welt verfolgbar
sein. Fast täglich verfasst der Leitstand einen Positionsbericht
(Rubrik Ship-News), in dem die Ereignisse der vergangenen Stunden geschildert
werden.
Demnächst mit Live-Kamera im Web
Die Quasi-Live-Übertragung einer der Kameras allerdings funktioniert derzeit
noch nicht; sie soll erst beim eigentlichen Start der Weltumsegelung zugeschaltet
werden. 'Bei solchen Vorhaben ist es nicht möglich alle Geräte auf
einmal einzuschalten', sagt Illik. 'Und derzeit sind andere Dinge noch
wichtiger als die Webcam'.
Auch die Computer-Selbststeuerung des Schiffes funktioniert noch nicht. Für
eine Weile müssen die Sensoren noch die nötigen Daten zum Verhalten
von Rumpf, Rigg und Ruder unter den Bedingungen von Wind und Wetter sammeln.
Der Computer errechnet dann daraus die notwendigen Schlussfolgerungen für
die Steuerung und speichert sie, um sie später in identischen Situationen
automatisch anzuwenden. Aus diesem Grund sind vorerst noch zwei Mann Besatzung
an Bord, die den Rechner notfalls per Hand bedienen können. Laut Plan
soll der Computer jedoch bis Lissabon gelernt haben, alleine zu segeln.
Rechner bringt Boot fast zum Kippen
Ob der Plan aber eingehalten werden kann, ist nicht ganz sicher. Laut Illik
erwägen die Koordinatoren in Furtwangen bereits, die 'RelationShip' bis
zu den Kanaren bemannt fahren zu lassen. Denn der Rechner ist noch lange kein
sicherer Segler und hat die Besatzung bereits in gefährliche Situationen
gebracht. Harmlos war noch, das er bei geringer Windstärke plötzlich
völlig unmotiviert das Grosssegel ein Stück einrollte. Gefährlich
aber wurde es, als er sich in der Nordsee bei zunehmendem Sturm weigerte, diesen nun
dringend notwendigen Vorgang ausführen zu lassen. Die Segel standen in voller
Grösse im Wind - schlimmstenfalls hätte das Boot kippen können.
Der Besatzung blieb nichts anderes übrig als das Haltetau des Segels zu
kappen. Mit Mühe erreichte die 'RelationShip' den schützenden
Jachthafen der Insel Borkum; ohne das rettende Eingreifen des Menschen wäre
die Fahrt des Computerschiffs schon zu Ende gewesen, bevor sie richtig
begonnen hat.
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