RelationShip

Zeitschrift:
Der Computer-Bund
17.08.98: Seite: 1/1

Per Computer über die sieben Weltmeere

Furtwanger Trimaran schafft die gefährliche Überfahrt

Vor einem Monat ist der Trimaran 'RelationShip' zur ersten unbemannten Weltumsegelung gestartet. Doch das vollständig computergesteuerte Schiff kämpft mit technischen Problemen.

Von Christian Andresen/AP

Das Schiff war noch nicht fertig gebaut, da rühmte sich der deutsche Bundesaussenminister Klaus Kinkel die geplante erste Weltumsegelung der unbemannten, computergesteuerten 'RelationShip' bereits als 'Musterbeispiel deutscher Innovations- und Wagniskultur'. Er behielt recht, wie sich nun - nach den ersten Seemeilen - herausstellt. Denn ein Wagnis ist das Vorhaben der Initiatoren von der Fachhochschule Furtwangen allemal. Die bei solchen Vorhaben unausweichlichen technischen Probleme haben die Fahrt denn auch bereits verzögert.

Hochsensible, unerprobte Technik

Gut einen Monat nach dem Start hat das Drei-Rumpf-Boot, ein sogenannter Trimaran, noch nicht einmal die Hälfte der ersten Etappe von Wilhelmshaven nach Lissabon zurückgelegt und erst den Ausgangshafen für die Überquerung der stürmischen Biskaya erreicht. Technische Probleme hatten immer wieder zu Verzögerungen geführt. Bereits unmittelbar nach dem Start hatte die 'RelationShip' zu Abstimmungsarbeiten in die Neue-Jade-Werft nach Wilhelmshaven zurückkehren müssen.

Angesichts der hochsensiblen und unter den Bedingungen der offenen See unerprobten Technik hatten die Projektbetreiber jedoch von vornherein mit Problemen gerechnet und im Zeitplan für die erste Etappe bis Lissabon entsprechend viel Luft gelassen, wie einer der Initiatoren, Prof. Johann-Anton Illik, erläutert.

Schwimmender Computer

Das Schiff ist eigentlich ein schwimmender Computer. In Mast, Bug und Heck sind mehrere Sensoren angebracht, die die erforderlichen Daten zur automatischen Anpassung der Steuerung an Wind und Wetter liefern. Sie messen beispielsweise, wie gross der Druck von Wind und Segelfläche auf den Mast ist, wie schnell das Boot fährt und wie schnell es bei Kursänderungen dreht. Die Steueranlage analysiert daraus selbstständig die Seebedingungen, legt den aktuellen Kurs fest, stellt die Segel entsprechend und fährt die notwendigen Manöver. Mittels dreier schwenkbarer Videokameras kann das Schiff von zwei Leitsänden in Furtwangen aus, wo man die Kamerabilder empfängt, rund um die Uhr überwacht werden. Dort werden dem Schiffscomputer auch die jeweiligen Zielkoordinaten vorgegeben. Die Daten werden über Satellit übertragen - normalerweise mit 600 bps (Bit pro Sekunde) über eine Inmarsat-Anlage. Die Kamerabilder werden mit bis zu 2400 bps über eine gesondert zuschaltbare Inmarsat-M-Anlage gefunkt.

___ Ein Leitstand besteht jeweils aus fünf miteinander vernetzten Personal Computern und einer DEC-Workstation mit einem 600-MHz-Alpha-Prozessor. Ihre Monitore zeigen den Wissenschaftlern auf verschiedenen Seekarten die Position des Bootes an, bilden die Wetterdaten ab, stellen die Ist-Daten des Schiffes den angestrebten Soll-Daten gegenüber, geben die Bilder der Videokamera wieder oder stehen für die Programmierung des Internet-Angebots bereit.

Die Reise der 'RelationShip' soll nämlich in der ganzen Welt verfolgbar sein. Fast täglich verfasst der Leitstand einen Positionsbericht (Rubrik Ship-News), in dem die Ereignisse der vergangenen Stunden geschildert werden.

Demnächst mit Live-Kamera im Web

Die Quasi-Live-Übertragung einer der Kameras allerdings funktioniert derzeit noch nicht; sie soll erst beim eigentlichen Start der Weltumsegelung zugeschaltet werden. 'Bei solchen Vorhaben ist es nicht möglich alle Geräte auf einmal einzuschalten', sagt Illik. 'Und derzeit sind andere Dinge noch wichtiger als die Webcam'.

Auch die Computer-Selbststeuerung des Schiffes funktioniert noch nicht. Für eine Weile müssen die Sensoren noch die nötigen Daten zum Verhalten von Rumpf, Rigg und Ruder unter den Bedingungen von Wind und Wetter sammeln. Der Computer errechnet dann daraus die notwendigen Schlussfolgerungen für die Steuerung und speichert sie, um sie später in identischen Situationen automatisch anzuwenden. Aus diesem Grund sind vorerst noch zwei Mann Besatzung an Bord, die den Rechner notfalls per Hand bedienen können. Laut Plan soll der Computer jedoch bis Lissabon gelernt haben, alleine zu segeln.

Rechner bringt Boot fast zum Kippen

Ob der Plan aber eingehalten werden kann, ist nicht ganz sicher. Laut Illik erwägen die Koordinatoren in Furtwangen bereits, die 'RelationShip' bis zu den Kanaren bemannt fahren zu lassen. Denn der Rechner ist noch lange kein sicherer Segler und hat die Besatzung bereits in gefährliche Situationen gebracht. Harmlos war noch, das er bei geringer Windstärke plötzlich völlig unmotiviert das Grosssegel ein Stück einrollte. Gefährlich aber wurde es, als er sich in der Nordsee bei zunehmendem Sturm weigerte, diesen nun dringend notwendigen Vorgang ausführen zu lassen. Die Segel standen in voller Grösse im Wind - schlimmstenfalls hätte das Boot kippen können. Der Besatzung blieb nichts anderes übrig als das Haltetau des Segels zu kappen. Mit Mühe erreichte die 'RelationShip' den schützenden Jachthafen der Insel Borkum; ohne das rettende Eingreifen des Menschen wäre die Fahrt des Computerschiffs schon zu Ende gewesen, bevor sie richtig begonnen hat.

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