RelationShip

Welt am Sonntag 14. Juni 1998: Seite: 1 / 1

Ohne Skipper um die Welt

Die Fachhochschule Furtwangen schickt einen High-Tech-Trimaran auf Weltreise. "The RelationShip" ist mit modernster Elektronik ausgerüstet und hat keinerlei Besatzung an Bord.

Von KLAUS KRAUSS

Hamburg. Professoren und Studenten der Fachhochschule Furtwangen wollen beweisen, das ein Segelboot ganz ohne Besatzung auf den Weltmeeren fahren kann. Das zu diesem Zweck gebaute "Geisterschiff" ist ein 11,30 Meter langer und 9,20 Meter breiter Trimaran, der auf den Namen "The RelationShip" getauft wurde.

Allein von einem Computer an Bord gesteuert und von zwei Leitstellen an Land überwacht, wird das drei Millionen Mark teure Dreirumpf-Boot eine 50.000 Kilometer lange Reise um die Welt antreten. Anstelle eines Skippers manövriert dabei der autonome Steuermechanismus und übernimmt die gesamten seemännischen Aufgaben : Segel setzen ,Reffen ,Wenden ,Halsen ,Beidrehen und Aufschießen . Mittels Sensoren im Mast und auf dem Segel werden Informationen über die Druckbelastung geliefert, Beschleunigungssensoren im Bug und Heckliefern Daten für eine bessere Ansteuerung der Wellen.

Bei Bedarf wird die Steuerung von der Leitstelle an Land übernommen: Alle relevanten Daten des Seglers und seiner Umgebung werden mit Inmarsat M ( Übertragung komprimierter Bilddaten, aktiv nur nach Bedarf ) und Inmarsat C (Übertragung von Meßdaten, Sollwerten und Befehlen) gesendet. Der Leitstand kann daher auch die Funktionen übernehmen, die sonst ein Skipper an Bord hat: Analyse von Wetterdaten, Routenplanung nach Wettersituation, Erstellung der Kursvorgabe und Überwachung der Bordinstrumente.

Die Idee für das ungewöhnliche Projekt hatte Rainer Schmid, Professor des Fachbereichs Inforamtionssysteme. "Auf einer interdisziplinären Plattform wollen wir gemeinsam etwas Innovatives, Einmaliges schaffen. Das Projekt soll real und zugleich Symbol sein - Symbol für Unternehmertum, Einsatzfreude und gegen verkrustete Denkweise zu vieler Bedenkenträger," erklärte der hochseegeprüfte Segler.

Vor zwei Wochen hatte Schmid den unbemannten Trimaran das erste Mal zu Wasser gelassen. Die Jungfernfahrt verlief bei schwachen Winden problemlos. "Das per Computer gesteuerte Ruder reagierte beim ersten Probetörn auf der Jade sehr ausgeglichen", berichtet Schmid. Das Rig konnte seine Haltbarkeit allerdings noch nicht unter Beweis stellen: "Da müssen wir uns auf das verlassen was wir während der Konstruktionsphase

___ zusammengerechnet haben".

Gestern (nach Redaktionsschluß dieser Seite) sollte der zweieinhalb Tonnen schwere Trimaran zur ersten Etappe nach Lissabon aufbrechen - allerdings noch mit einem Zweier-Team als Aufpasser an Bord. Erst Ende August beginnt die völlig unbemannte Weltumsegelung.

Doch auch dann wird "The RelationShip" nicht ohne menschliche Begleiter in den Zielhäfen der einzelnen Etappen einlaufen können. Innerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone und bei der Einfahrt in die Häfen muß eine kleine Besatzung an Bord sein, um die Schiffsführung zu kontrollieren und Unfälle zu verhindern.

Auf hoher See allerdings ist der Trimaran auf sich allein gestellt. Lediglich die drei installierten Kameras werden dort ein Auge auf das Schiff werfen. Die so gewonnen Aufzeichnungen sollen als Standbild im Internet abrufbar sein, "So lassen sich nicht nur für die Leitstelle wichtige Umgebungsdaten abrufen, sondern die globale virtual Community kann online dabei sein", freut sich Professor Martin Aichele, zuständig für die visuelle Dokumentation.

Unter Wassersportlern ist das Projekt allerdings aufgrund ungeklärter Sicherheitsfragen umstritten. Denn trotz modernster Technik fehlt dem "Geisterschiff" jener Ausguck, der in den internationalen Seerechtsbestimmungen der International Maritime Organisation zur Kollisionsvermeidung gefordert wird.

Die Initiatoren halten dagegen , daß die Kameras mit ihren Live-Bildern, Radar, Mikrophone sowie Lautsprecher genügend Sicherheit für Schiffe in der Umgebung geben. Zudem verarbeitet der Rechner an Bord die Beobachtungen aus der Umgebung sofort und könne auf jede Situation schnell und präzise reagieren. Der Leitstand, als übergeordnete Instanz, könne zudem ständig in das Geschehen eingreifen.

Ob der Trimaran seine Reise unbeschadet überstehen wird, hängt nicht nur von der Technik und dem Wetter ab. Schließlich könnte jemand auf die Idee kommen, "The RelationShip" für Treibgut zu halten und es - dem internationalen Seerecht gemäß - in Besitz zu nehmen. Allerdings würde der neue "Eigner" dabei nicht unbemerkt agieren: Die Argusaugen der weltweiten Internetgemeinde sind schließlich immer live dabei.

"The RelationShip" im Internet: http://www.relationship.fh-furtwangen.de

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