Deutsche Professoren wollen ein unbemanntes Robotschiff durch die Weltmeere
schicken - mit Computerhilfe.
Wenn sich Software-Ingenierue in die christliche Seefahrt einmischen,
geht der Matrose baden. Aus Fernweh wird Fernsteuerung, aus dem Logbuch
eine Festplatte, und der Kapitän schrumpft zum Computer.
Nie wieder Meuterei oder seekranke Passagiere - das 'RelationShip', ein
weißer, elf Meter langer Trimaran, soll nächsten Monat zu
einer Umsegelung des blauen Planeten aufbrechen: unbemannt, autonom,
selbststeuernd.
Das moderne Geisterschiff, entwickelt von acht Professoren der
Fachhochschule Furtwangen, braucht weder Maat noch Steuermann.
In einjähriger Arbeit haben die Gelehrten, unterstüzt
von 160 Studenten und über einem DutzendSponsoren, ein
Segelschiff gebaut, das als 'fliegender Schwarzwälder'
über die Weltmeere gleiten soll.
300 Kilogramm Elektronik, darunter drei Rechner und drei Videokameras,
sind an Bord des Dreirumpfers installiert. Am Bug lugt ein Radarauge
nach Hindernissen. Am Heck wölben sich zwei Plastikhauben,
die wie riesige Negerküsse aussehen. Darunter verbergen
sich dieEmpfangschüsseln für das Ortungssystem GPS
und den Kommunikationssatelliten Inmarsat.
Kanaren, Kapstadt, Indischer Ozean, Australien - über 50 000 Kilometer
geht der geplante Gespenstertörn. Auch am Zuckerhut und in New York
macht die Elektronikbarke halt. Gesamtdauer der Reise: 15 Monate.
Als Herzstück des Robotkahns dient ein Computer, in dem die
Gesamtroute elektronisch abgespeichert ist. Wasserdicht verpackt, ruht
das Großhirn in einer mit Stickstoff gefüllten Aluminiumbox.
Aktuelle Wind- und Wetterdaten werden von der Peripherie geliefert:
Am Heck propellert ein Windmesser, der Tacho(Logge) am Rumpf kontrolliert
die Geschwindigkeit, Sensoren am Mast melden die Druckbelastung des
Materials.
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Aus diesem Datenmix errechnet der Computer die Steuerung. Bei Strum
läßt er Segel reffen, hydraulisch wird der Mast geschwenkt,
automatisch das Ruder bewegt. 'Wir haben ein autonomes System geschaffen',
sagt der technische Projektleiter Reiner Schmid,' unser Schiff kann Wenden
und Haslen fahren und selbstständig Segel setzen.'
Derzeit liegt der schwimmende Roboter in der Jadewerft von Wilhelmshaven.
Informatikstudenten pinseln Epoxidharz auf den Schiffslaib aus Zedernholz.
Ein Dieselmotor (Tankinhalt: 400 Liter) wird den Stromgenerator für
die bordelektronik betreiben. Am 13. Juni soll das Gefährt Richtung
Lissabon auslaufen.
Die Idee für Cyber-Arche entstand Anfang letzten Jahres. Eine 'Marketing
Task Force' der Fachhochschule überlegte, wie sie den internationalen
Ruf der Furtwanger Bildungsstätte mehren könnte. 'Lernen braucht
Visionen', meint Schmid, 'eine effiziente Hochschulausbildung hat schon
lange nichts mehr mit Massenvorlesungen zu tun.'
So suchte das Schwarzwald-Team eine 'historische Herausforderung' und fand
sie auf dem Wasser. 'Voller Idealismus' und mit derselben Präzision
wie bei einer Kuckucksuhr leimten die Bastler den Bootsrumpf zusammen. Als
Werft diente eine ehemalige Fabrik für Poststempel.
Wozu das Ganze nützen soll, weiß niemand zu sagen; dennoch ist die
Begeisterung allgemein. 'Ein Musterbeispiel deutscher Innovations- und
Wagniskultur', lobte das Auswärtige Amt. Ministerpräsident Erwin
Teufel ('Solche Ideen bringen unser Land voran') übernahm die
Schirmherrschaft über das Projekt.
Auch Verteidigungsminister Volker Rühe mochte nicht nachstehen. Am 7. Januar
dieses Jahres schwebte ein Hubschrauber der Bundeswehr über dem Campus
von Furtwangen ein und nahm das Rohbauschiff an den Haken. In einem gewagten
Flugmanöver schwebte der Trimaran, frei in der Luft baumelnd, nach
Wilhelmshaven.(Anmerkung der Redaktion:
....nach Breisach am Rhein. Von dort wurde der Trimaran per Außenborder
bis nach Düsseldorf überführt. Nach der Boot'98 weiter nach
Wilhelmshaven.)
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