RelationShip 
 
Der Spiegel   25. Mai 1998: Seite: 1 / 2
 

Fliegender Schwarzwälder 
 
Deutsche Professoren wollen ein unbemanntes Robotschiff durch die Weltmeere schicken - mit Computerhilfe.

Wenn sich Software-Ingenierue in die christliche Seefahrt einmischen, geht der Matrose baden. Aus Fernweh wird Fernsteuerung, aus dem Logbuch eine Festplatte, und der Kapitän schrumpft zum Computer.
Nie wieder Meuterei oder seekranke Passagiere - das 'RelationShip', ein weißer, elf Meter langer Trimaran, soll nächsten Monat zu einer Umsegelung des blauen Planeten aufbrechen: unbemannt, autonom, selbststeuernd.
Das moderne Geisterschiff, entwickelt von acht Professoren der Fachhochschule Furtwangen, braucht weder Maat noch Steuermann. In einjähriger Arbeit haben die Gelehrten, unterstüzt von 160 Studenten und über einem DutzendSponsoren, ein Segelschiff gebaut, das als 'fliegender Schwarzwälder' über die Weltmeere gleiten soll.
300 Kilogramm Elektronik, darunter drei Rechner und drei Videokameras, sind an Bord des Dreirumpfers installiert. Am Bug lugt ein Radarauge nach Hindernissen. Am Heck wölben sich zwei Plastikhauben, die wie riesige Negerküsse aussehen. Darunter verbergen sich dieEmpfangschüsseln für das Ortungssystem GPS und den Kommunikationssatelliten Inmarsat.
Kanaren, Kapstadt, Indischer Ozean, Australien - über 50 000 Kilometer geht der geplante Gespenstertörn. Auch am Zuckerhut und in New York macht die Elektronikbarke halt. Gesamtdauer der Reise: 15 Monate. Als Herzstück des Robotkahns dient ein Computer, in dem die Gesamtroute elektronisch abgespeichert ist. Wasserdicht verpackt, ruht das Großhirn in einer mit Stickstoff gefüllten Aluminiumbox. Aktuelle Wind- und Wetterdaten werden von der Peripherie geliefert: Am Heck propellert ein Windmesser, der Tacho(Logge) am Rumpf kontrolliert die Geschwindigkeit, Sensoren am Mast melden die Druckbelastung des Materials.
 

___  Aus diesem Datenmix errechnet der Computer die Steuerung. Bei Strum läßt er Segel reffen, hydraulisch wird der Mast geschwenkt, automatisch das Ruder bewegt. 'Wir haben ein autonomes System geschaffen', sagt der technische Projektleiter Reiner Schmid,' unser Schiff kann Wenden und Haslen fahren und selbstständig Segel setzen.'
Derzeit liegt der schwimmende Roboter in der Jadewerft von Wilhelmshaven. Informatikstudenten pinseln Epoxidharz auf den Schiffslaib aus Zedernholz. Ein Dieselmotor (Tankinhalt: 400 Liter) wird den Stromgenerator für die bordelektronik betreiben. Am 13. Juni soll das Gefährt Richtung Lissabon auslaufen.
Die Idee für Cyber-Arche entstand Anfang letzten Jahres. Eine 'Marketing Task Force' der Fachhochschule überlegte, wie sie den internationalen Ruf der Furtwanger Bildungsstätte mehren könnte. 'Lernen braucht Visionen', meint Schmid, 'eine effiziente Hochschulausbildung hat schon lange nichts mehr mit Massenvorlesungen zu tun.' So suchte das Schwarzwald-Team eine 'historische Herausforderung' und fand sie auf dem Wasser. 'Voller Idealismus' und mit derselben Präzision wie bei einer Kuckucksuhr leimten die Bastler den Bootsrumpf zusammen. Als Werft diente eine ehemalige Fabrik für Poststempel.
Wozu das Ganze nützen soll, weiß niemand zu sagen; dennoch ist die Begeisterung allgemein. 'Ein Musterbeispiel deutscher Innovations- und Wagniskultur', lobte das Auswärtige Amt. Ministerpräsident Erwin Teufel ('Solche Ideen bringen unser Land voran') übernahm die Schirmherrschaft über das Projekt. Auch Verteidigungsminister Volker Rühe mochte nicht nachstehen. Am 7. Januar dieses Jahres schwebte ein Hubschrauber der Bundeswehr über dem Campus von Furtwangen ein und nahm das Rohbauschiff an den Haken. In einem gewagten Flugmanöver schwebte der Trimaran, frei in der Luft baumelnd, nach Wilhelmshaven.(Anmerkung der Redaktion:
....nach Breisach am Rhein. Von dort wurde der Trimaran per Außenborder bis nach Düsseldorf überführt. Nach der Boot'98 weiter nach Wilhelmshaven.)
 
 

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