Erstmals
soll ein Schiff ferngesteuert und ganz ohne
Besatzung die Welt umsegeln. dennoch können
Huntertausende ununterbrochen live dabeisein -
via Internet. Wilhelmshaven.
In der Werfthalle wirkt das elf auf neueinhalb
Meter messende Segelboot mit seinen drei Rümpfen
fast ein wenig verloren. Pötte bis hin zur
Grösse der Fregatten der deutschen Bundesmarine
finden hier mühelos Platz. 'Willkommen an Bord
der 'Relationship'', sagt Online-Spezialist Anton
Illik. dann zwängt er sich - wie um zu beweisen,
dass der Trimaran für grösseres geschaffen ist
- durch die enge Luke ins Bootsinnere.
Dieses mag für den längsten
Aufenthalt von menschlichen Wesen nicht so recht
geeignet erscheinen. Fünf Bordcomputer,
Kontrollmonitore, Kabelkanäle und Kameras werden
hier demnächst das Raumangebot noch zusätzlich
verringern. Kojen für die Crew, eine Kombüse
für die Verpflegung und ein wetterfester Ausguck
wären ohnehin überflüssig: Zwar werden
Zehntausende 'mitsurfen', wenn die 2,2 Tonnen
Zedernholz, Epoxyharz, Fiberglas und Kohlefasern
zu ihrer Fahrt starten, und die reise durch die
sieben Weltmeere live verfolgen. Aber nasse
Füsse werden sie dabei nicht bekommen.
Der Trimaran ist das erste
Schiff, das ferngesteuert die Welt umrunden soll
- mit Hilfe moderner Satellitentechnik und eines
kompletten Wettersystems, wie es die
Berufsschiffahrt verwendet. Mit an Bord sind zwei
bewegliche, hochauflösende Farbkameras, die
Meeresstürme und Sonnenaufgänge via Satellit
ins Internet einspeisen. Am heimischen Bildschirm
können Internetsurfer deshalb an den Abenteuern
teilhaben und sich auf einer Karte auch gleich
noch die Route anzeigen lassen oder die nächsten
Schiffsmanöver beobachten.
Das Vorhaben stellt nicht nur eine Premiere dar,
sondern - wie kürzlich die deutsche 'Zeit'
attestiert - in etwa ein so verrücktes
Unterfangen, als wollten plötzlich Eskimos
kalifornischen Wein züchten. Nicht von einem
küstennahen Kontrollzentrum, sondern von zwei
rund um die Uhr und mit mehreren
Online-Arbeitsplätzen mitten im Schwarzwald
eingerichteten Leitstaenden in Furtwangen und
Villingen-Schwenningen aus wird die Weltumrundung
des Segelschiffes dirigiert.
Die grösste Gefahr droht
dem Projekt durch mangelnde Sonne
Den Kurs im Detail legt ein
Bordrechner fest, dem lediglich die
Zielkoordinaten vorgegeben werden. Ein
intelligentes Steuerprogramm - eine Art
virtueller Kapitän - soll den Geisterkahn auch
unter schwierigen Wetterbedingungendurch
Atlantiksürme oder die windumtosten Breitengrade
des Südpazifiks navigieren. Über eine Hydraulik
werden die Grundfunktionen 'Segel setzen, Bergen
und Mastbaum drehen' abgedeckt, eine ausgefeilte
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Rudersteuerung
koordiniert Manöver wie 'Wende, Halse,
Beidrehen, Aufschiessen und Ausweichen'. Hinter 'TheRelationShip' steht eine
Mannschaft von rund 200 Studenten und rund einem
Dutzend Professoren der Fachbereiche Informatik,
Digitale Medien, Informationssysteme,
Mechatronik, Mikrosysteme und Product Engineering
der Fachhochschule Furtwangen im Schwarzwald.
'Wir werden vom Leitstand aus nicht in jedes
kleine Manöver eingreifen', sagt Illik. Die
Verzögerung der Stuersignale durch den Weg, den
die Kommandos über Satellit nehmen müssen,
scheint verschmerzbar. 'Schliesslich', schmunzelt
Illik, 'wollen wir keine Regatta fahren.' Droht
das Geisterschiff auf Kollisionskurs in eine
'Begegnung der dritten Art', mit anderen
schwimmenden Objekten verwickelt zu werden, sind
via Radar und Video automatische Ausweichmanöver
vorgesehen.
Die grösste Gefahr droht dem
Boot allerdings nicht von anderen Schiffen. Der
kritischste Punkt ist vielmehr die
Energieversorgung derBordelektronik. Diese wird
durch Solarzellen aufrechterhalten.(siehe dazu
Anmerkung der Web-Redaktion) Die Steuerleute in
Furtwangen müssen deshalb darauf achten, dass
der Trimaran ausreichend Sonne bekommt. 'Sonst
geht dem Schiff innerhalb einer Woche der Dampf
aus', sagt Illik.
Mit einer Begleitmannschaft
soll 'TheRelationShip' am 13. Juni erst einmal
zur Expo nach Lissabon starten,um dort den
deutschen Austellungsbereich zu bereichern. Der
eigentliche Start soll von den Kanarischen Inseln
aus erfolgen. Weil unbemannt, gilt der Trimaran
nach internationalem Seerecht als Treibgut und
wäre somit jeglicher Piraterie schutzlos
ausgeliefert. Deshalb wird der Zugang zum
Schiffsinnern durch spezielles Erkennungssystem
gesichert. Um ganz sicherzugehen, wird eine
Mannschaft an den Zielpunkten vor Kapstadt,
Fremantle(Australien), Auland(Neuseeland), Punta
Arenas(Chile), Rio de Janeiro, New York,
Shannon(Irland) und Wilhelmshaven das Boot
jeweils innerhalb der Zwöfmeilenzone in Empfang
nehmen und sicher in den Hafen bugsieren.
Der grossen Fahrt des
hochgerüsteten Geisterschiffs steht eigentlich
nichts mehr im Weg. Bleibt zu hoffen, dass nicht
irgendwelche Kids den Zugangscode zum
Steuerungssystemknacken, sich als 'Hacker'
betätigen und den Segler in ganz andere Gegenden
steuern. An die brasilianische Regenwaldküste,
nach Kuba oder Port-au-Prince.......
Anmerkung der Web-Redaktion:
Die Stromversorgung für
'TheRelationShip' wurde neu konzipiert. Bitte
sehen Sie sich die neuen Informationen auf
unserer Technik-Seite an!
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