RelationShip   

Sonntags Zeitung 10. Mai 1998 : Seite: 1 / 1

Treibgut zum Mitsurfen

Die erste unbemannte Weltumsegelung kann über Internet mitverfolgt werden

Erstmals soll ein Schiff ferngesteuert und ganz ohne Besatzung die Welt umsegeln. dennoch können Huntertausende ununterbrochen live dabeisein - via Internet.

Wilhelmshaven. In der Werfthalle wirkt das elf auf neueinhalb Meter messende Segelboot mit seinen drei Rümpfen fast ein wenig verloren. Pötte bis hin zur Grösse der Fregatten der deutschen Bundesmarine finden hier mühelos Platz. 'Willkommen an Bord der 'Relationship'', sagt Online-Spezialist Anton Illik. dann zwängt er sich - wie um zu beweisen, dass der Trimaran für grösseres geschaffen ist - durch die enge Luke ins Bootsinnere.

Dieses mag für den längsten Aufenthalt von menschlichen Wesen nicht so recht geeignet erscheinen. Fünf Bordcomputer, Kontrollmonitore, Kabelkanäle und Kameras werden hier demnächst das Raumangebot noch zusätzlich verringern. Kojen für die Crew, eine Kombüse für die Verpflegung und ein wetterfester Ausguck wären ohnehin überflüssig: Zwar werden Zehntausende 'mitsurfen', wenn die 2,2 Tonnen Zedernholz, Epoxyharz, Fiberglas und Kohlefasern zu ihrer Fahrt starten, und die reise durch die sieben Weltmeere live verfolgen. Aber nasse Füsse werden sie dabei nicht bekommen.

Der Trimaran ist das erste Schiff, das ferngesteuert die Welt umrunden soll - mit Hilfe moderner Satellitentechnik und eines kompletten Wettersystems, wie es die Berufsschiffahrt verwendet. Mit an Bord sind zwei bewegliche, hochauflösende Farbkameras, die Meeresstürme und Sonnenaufgänge via Satellit ins Internet einspeisen. Am heimischen Bildschirm können Internetsurfer deshalb an den Abenteuern teilhaben und sich auf einer Karte auch gleich noch die Route anzeigen lassen oder die nächsten Schiffsmanöver beobachten.
Das Vorhaben stellt nicht nur eine Premiere dar, sondern - wie kürzlich die deutsche 'Zeit' attestiert - in etwa ein so verrücktes Unterfangen, als wollten plötzlich Eskimos kalifornischen Wein züchten. Nicht von einem küstennahen Kontrollzentrum, sondern von zwei rund um die Uhr und mit mehreren Online-Arbeitsplätzen mitten im Schwarzwald eingerichteten Leitstaenden in Furtwangen und Villingen-Schwenningen aus wird die Weltumrundung des Segelschiffes dirigiert.

Die grösste Gefahr droht dem Projekt durch mangelnde Sonne

Den Kurs im Detail legt ein Bordrechner fest, dem lediglich die Zielkoordinaten vorgegeben werden. Ein intelligentes Steuerprogramm - eine Art virtueller Kapitän - soll den Geisterkahn auch unter schwierigen Wetterbedingungendurch Atlantiksürme oder die windumtosten Breitengrade des Südpazifiks navigieren. Über eine Hydraulik werden die Grundfunktionen 'Segel setzen, Bergen und Mastbaum drehen' abgedeckt, eine ausgefeilte

___  Rudersteuerung koordiniert Manöver wie 'Wende, Halse, Beidrehen, Aufschiessen und Ausweichen'.

Hinter 'TheRelationShip' steht eine Mannschaft von rund 200 Studenten und rund einem Dutzend Professoren der Fachbereiche Informatik, Digitale Medien, Informationssysteme, Mechatronik, Mikrosysteme und Product Engineering der Fachhochschule Furtwangen im Schwarzwald. 'Wir werden vom Leitstand aus nicht in jedes kleine Manöver eingreifen', sagt Illik. Die Verzögerung der Stuersignale durch den Weg, den die Kommandos über Satellit nehmen müssen, scheint verschmerzbar. 'Schliesslich', schmunzelt Illik, 'wollen wir keine Regatta fahren.' Droht das Geisterschiff auf Kollisionskurs in eine 'Begegnung der dritten Art', mit anderen schwimmenden Objekten verwickelt zu werden, sind via Radar und Video automatische Ausweichmanöver vorgesehen.

Die grösste Gefahr droht dem Boot allerdings nicht von anderen Schiffen. Der kritischste Punkt ist vielmehr die Energieversorgung derBordelektronik. Diese wird durch Solarzellen aufrechterhalten.(siehe dazu Anmerkung der Web-Redaktion) Die Steuerleute in Furtwangen müssen deshalb darauf achten, dass der Trimaran ausreichend Sonne bekommt. 'Sonst geht dem Schiff innerhalb einer Woche der Dampf aus', sagt Illik.

Mit einer Begleitmannschaft soll 'TheRelationShip' am 13. Juni erst einmal zur Expo nach Lissabon starten,um dort den deutschen Austellungsbereich zu bereichern. Der eigentliche Start soll von den Kanarischen Inseln aus erfolgen. Weil unbemannt, gilt der Trimaran nach internationalem Seerecht als Treibgut und wäre somit jeglicher Piraterie schutzlos ausgeliefert. Deshalb wird der Zugang zum Schiffsinnern durch spezielles Erkennungssystem gesichert. Um ganz sicherzugehen, wird eine Mannschaft an den Zielpunkten vor Kapstadt, Fremantle(Australien), Auland(Neuseeland), Punta Arenas(Chile), Rio de Janeiro, New York, Shannon(Irland) und Wilhelmshaven das Boot jeweils innerhalb der Zwöfmeilenzone in Empfang nehmen und sicher in den Hafen bugsieren.

Der grossen Fahrt des hochgerüsteten Geisterschiffs steht eigentlich nichts mehr im Weg. Bleibt zu hoffen, dass nicht irgendwelche Kids den Zugangscode zum Steuerungssystemknacken, sich als 'Hacker' betätigen und den Segler in ganz andere Gegenden steuern. An die brasilianische Regenwaldküste, nach Kuba oder Port-au-Prince.......

Anmerkung der Web-Redaktion:

Die Stromversorgung für 'TheRelationShip' wurde neu konzipiert. Bitte sehen Sie sich die neuen Informationen auf unserer Technik-Seite an!

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