RelationShip 
 
Oberösterreichische Nachrichten 23. Mai 1998 : Seite: 1 / 1
 

Botschaft vom Geisterschiff
Ein Trimaran soll ohne Besatzung
die Welt umrunden

Von Claude Walther
Zehntausende werden 'live' im Internet dabeisein: Erstmals soll ein Schiff ferngesteuert per Satellit durch die sieben Weltmeere kreuzen. Das Regiepult steht dort, wo sich sonst Hasen und Füchse 'Gute Nacht' sagen - mitten im Schwarzwald.

Wilhelmshaven. In der Werfthalle wirkt das elf auf neueinhalb Meter messende Segelboot mit seinen drei Rümpfen fast ein wenig verloren. Pötte bis hin zur Grösse der Fregatten der deutschen Bundesmarine finden hier mühelos Platz. 'Willkommen an Bord der 'Relationship'', sagt Online-Spezialist Anton Illik. dann zwängt er sich - wie um zu beweisen, dass der Trimaran für grösseres geschaffen ist - durch die enge Luke ins Bootsinnere.
Dieses mag für den längsten Aufenthalt von menschlichen Wesen nicht so recht geeignet erscheinen. Fünf Bordcomputer, Kontrollmonitore, Kabelkanäle und Kameras werden hier demnächst das Raumangebot noch zusätzlich verringern. Kojen für die Crew, eine Kombüse für die Verpflegung und ein wetterfester Ausguck wären ohnehin überflüssig: Zwar werden Zehntausende 'mitsurfen', wenn die 2,2 Tonnen Zedernholz, Epoxyharz, Fiberglas und Kohlefasern zu ihrer 30.000-Meilen-Fahrt starten, und die Reise durch die sieben Weltmeere 'live' verfolgen. Aber nasse Füsse werden sie dabei nicht bekommen.

Vom Autopilot gesteuert
Der Trimaran ist das erste Schiff, das ferngesteuert per moderner Satellitentechnik, mit Hilfe eines kompletten Wettersystems, wie es die Berufsschiffahrt verwendet, sowie eines Autopiloten im Flugverkehr und unähnlichen Navigationssystems die Welt umrunden soll. Wer in 'Virtuell Reality' dabeisein möchte, kann sich auf dem 'WorldWideWeb' einklicken. Per Kamera und fortlaufend eingespeister Bildsequenzen ist es möglich, die Umgebung des Trimarans sowie auf einer Karte die Route und die nächsten Schiffsmanöver zu beobachten.
Tatsächlich stellt das Vorhaben, das an Pioniertaten wie die erste Atlantiküberquerung oder Picards Weltumsegelung denken läßt, nicht nur eine Premiere dar, sondern - wie kürzlich die deutsche Wochenzeitung 'Die Zeit' attestierte - in etwa ein so verrücktes Unterfangen, als wollten plötzlich Eskimos kalifornischen Wein züchten. Nicht von einem küstennahen Kontrollzentrum, sondern von zwei rund um die Uhr und mit mehreren Online-Arbeitsplätzen mitten im Schwarzwald eingerichteten Leitstaenden in Furtwangen und Villingen-Schwenningen aus wird die Weltumrundung des Segelschiffes dirigiert.
 

___  Den Kurs im Detail legt ein Bordrechner fest, dem lediglich die Zielkoordinaten vorgegeben werden. Über eine Hydraulik werden die Grundfunktionen 'Segel setzen, Bergen und Mastbaum drehen' abgedeckt, eine ausgefeilte Rudersteuerung koordiniert Manöver wie 'Wende, Halse, Beidrehen, Aufschiessen und Ausweichen'.
Hinter 'TheRelationShip' steht eine Mannschaft von rund 200 Studenten und rund einem Dutzend Professoren der Fachbereiche Informatik, Digitale Medien, Informationssysteme, Mechatronik, Mikrosysteme und Product Engineering der Fachhochschule Furtwangen im Schwarzwald. 'Wir werden vom Leitstand aus nicht in jedes kleine Manöver eingreifen', sagt Illik. Die Verzögerung der Steuersignale durch den Weg, den die Kommandos über Satellit nehmen müssen, scheint verschmerzbar. 'Schliesslich', schmunzelt Illik, 'wollen wir keine Regatta fahren.' Droht das Geisterschiff auf Kollisionskurs in eine 'Begegnung der dritten Art', mit anderen schwimmenden Objekten verwickelt zu werden, sind via Radar und Video automatische Ausweichmanöver vorgesehen.
Mit einer Begleitmannschaft soll 'TheRelationShip' am 13. Juni erst einmal zur Expo nach Lissabon starten,um dort den deutschen Austellungsbereich zu bereichern. Der eigentliche Start soll von den Kanarischen Inseln aus erfolgen. Weil unbemannt, gilt der Trimaran nach internationalem Seerecht als Treibgut und wäre somit jeglicher Piraterie schutzlos ausgeliefert. Deshalb wird der Zugang zum Schiffsinnern durch spezielles Erkennungssystem gesichert. Um ganz sicherzugehen, wird eine Mannschaft an den Zielpunkten vor Kapstadt, Fremantle(Australien), Auland(Neuseeland), Punta Arenas(Chile), Rio de Janeiro, New York, Shannon(Irland) und Wilhelmshaven das Boot jeweils innerhalb der Zwöfmeilenzone in Empfang nehmen und sicher in den Hafen bugsieren.
Elektronische Piraten
Der grossen Fahrt des hochgerüsteten Geisterschiffs steht eigentlich nichts mehr im Weg. Bleibt zu hoffen, dass nicht irgendwelche Kids den Zugangscode zum Steuerungssystemknacken, sich als 'Hacker' betätigen und den Segler in ganz andere Gegenden steuern. An die brasilianische Regenwaldküste, nach Kuba oder Port-au-Prince.......

Übersicht
 
 
 

 

 

Letzte Änderung: