Von
Claude Walther Früher
bedeutete ein Auftrag an eine von der Konjunktur
gebeutelte Werft der strukturschwachen Küste
Arbeitsplätze. Jetzt in der Jadewerft von
Wilhelmshaven ein Schiff, das das Gegenteil
bewirken könnte.
In der Werfthalle wirkt das 11
mal 9,5 Meter messende Segelboot mit seinen drei
Rümpfen ein wenig verloren - normalerweise
finden hier Fregatten der Bundesmarine mühelos
Platz. "Willkommen an Bord der
RelationShip", sagt Online-Spezialist Anton
Illik. Dann zwängt er sich durch die enge Luke
ins Bootsinnere.
Letzteres mag für den
längeren Aufenthalt nicht so recht geeignet
erscheinen: Fünf Computer, Kontrollmonitore,
Kabelbäume und Kameras verringern hier das
Raumangebot. Kojen, Kombüse, wetterfester
Ausguck sind überflüssig: Zwar werden
Zehntausende "mitsurfen", wenn die 2,2
Tonnen Zedernholz, Epoxydharz, Fiberglas und
Kohlefasern zu ihrer 30.000-Meilen-Fahrt starten
und die Reise durch die sieben Weltmeere
"live" verfolgen. Aber nasse Füße
werden sie dabei nicht bekommen.
Der Trimaran ist das erste
Schiff, das ferngesteuert per Satellit- und
Wettersystem, wie es die Berufsschiffahrt
verwendet, sowie per Navigationssystem die Welt
umrunden soll. Wer virtuell dabei sein möchte,
kann sich ins WWW einklicken, per Kamera und
fortlaufend eingespeicherter Bildsequenzen die
Umgebung des Trimarans sowie auf einer Karte die
Route und die nächsten Schiffsmanöver
beobachten.
Tatsächlich stellt das
Vorhaben, das an Pioniertaten wie die erste
Atlantiküberquerung oder Picards Weltumsegelung
erinnert, eine Premiere dar. Nicht von einem
küstennahen Kontrollzentrum, sondern von zwei
mitten im Schwarzwald eingerichteten Leitständen
in Furtwangen und Villingen-Schwenningen aus wird
die Weltumrundung des Segelschiffes dirigiert.
Den Kurs im Detail legt ein Bordrechner fest, dem
lediglich die Zielkoordinaten vorgegeben werden.
Über eine
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Hydraulik
werden die Grundfunktionen "Segel
setzen", "Segel bergen" und
"Mastbaum drehen" abgedeckt, eine
ausgefeilte Rudersteuerung koordiniert Manöver
wie Wende, Halse, Beidrehen, Aufschießen und
Ausweichen. Hinter der
RelationShip steht eine Mannschaft von rund 200
Studierenden und einem Dutzend Professoren.
"Wir werden vom Leitstand aus nicht in jedes
kleine Manöver eingreifen", sagt Illik. Die
Verzögerung der Steuersignale durch den Weg, den
die Kommandos über Satellit nehmen müssen,
scheint verschmerzbar. "Schließlich",
so Illik, "wollen wir keine Regatta
fahren". Droht das Geisterschiff auf
Kollisionskurs mit anderen schwimmenden Objekten
verwickelt zu werden, sind via Radar und Video
automatische Ausweichmanöver programmiert.
Mit einer Begleitmannschaft
wird die RelationShip jetzt zur Expo nach
Lissabon starten, um dort den deutschen
Ausstellungsbereich zu bereichern, im August soll
der eigentliche Start von den Kanarischen Inseln
aus erfolgen. Weil unbemannt, gilt der Trimaran
nach internationalem Seerecht zunächst als
"Treibgut" und wäre somit jeglicher
Piraterie ausgeliefert. Deshalb wird der Zugang
zum Schiffsinnern durch ein spezielles
Erkennungssystem gesichert. Um ganz
sicherzugehen, wird eine Mannschaft an den
Zielpunkten vor Kapstadt, Fremantle (Australien),
Auckland (Neuseeland), Punta Arenas (Chile), Rio
de Janeiro (Brasilien), New York (USA), Shannon
(Irland) und Wilhelmshaven (Expo 2000) das Boot
jeweils innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone
"abholen" und sicher in den Hafen
bugsieren.
Fehlen eigentlich nur noch
Franz Beckenbauer und Claudia Schiffer, um mit
Schmollmund und dem bekannten "Schau 'mer
mal" für das Vorzeigeprojekt zu werben.
Doch von beiden, heißt es, kam eine Absage.
Außenminister Klaus Kinkel hingegen war
begeistert, als er die schwimmende Botschaft
kürzlich in Augenschein nahm. Wenn alles
glattgeht, hat das diplomatische Personal in
Kapstadt, Rio und New York demnächst Gelegenheit
"Schiff ahoi!" zu sagen.
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