RelationShip

Tangente Februar 1998: Seite: 1 / 1

Unbemannter Trimaran wird 15 Monate Lang aus dem Schwarzwald Ferngesteuert

Von Furtwangen aus um die Welt segeln

Fachhochschule für Technik und Wirtschaft leistet mit "RelationShip" Pionierarbeit.

Er ist das Werk von "Überzeugungstätern", die mit ihm auf hoher See quasi Neuland erkunden wollen: der Trimaran "RelationShip". Das Boot mit den drei Rümpfen hat zwar keine Besatzung, dafür aber als spezielles "Forschungsschiff" eine einmalige Karriere vor sich. So denn Finanzierungslücke, Naturgewalten oder andere Unwägbarkeiten das ehrgeizigen Unterfangen nicht noch torpedieren. Bundesweite Medienpräsenz und damit die erwünschte Publicity haben die cleveren Macher von der Fachhochschule Furtwangen - unbestreitbar im Binnenland gelegen - ihrem spektakulären Projekt und ihrer Institution allemal schon gesichert: Neben gut 500 Menschen in Feierlaune verfolgten am 7.Januar etliche Fernsehkameras und ungezählte Fotografen den Transport des Bootes per Bundeswehrhubschrauber von Furtwangen nach Breisach am Rhein. Dort wurde das Segelschiff erstmals zu Wasser gelassen.

Der Trimaran in Zahlen: 11,3 Meter lang, 9,5 Meter breit, rund 2,5 Tonnen schwer;

In Leichtbauweise gebaut mit Zedernholz, Glas- und Kohlefaser, Epoxydharz; drehbarer Flügelmast 13 Meter hoch, 53 Quadratmeter Segelfläche, Höchstgeschwindigkeit 40 Stundenkilometer.

Doch der Reihe nach: den Stein ins Rollen gebracht hat Reiner Schmidt, Elektronikprofessor an der Fachhochschule ( FH) Furtwangen und passionierter Segler. Werbung wollte er machen für die abgelegene "Hochschule für Technik und Wirtschaft", die sich wie andere auch mit rückläufigen Studentenzahlen konfrontiert sah. Er brütete den Plan einer unbemannten, computergesteuerten Weltumsegelung, die zudem Scharen von Surfern im Internet begleiten könnten. Kein -Seemannsgarn - die phantastisch klingende Idee nahm rasch Gestalt an und zwar nach dem Motto "klotzen statt kleckern".

Im vergangenen Februar bildete sich eine Projektgruppe, in der alle acht Fachbereiche der FH vertreten waren und mit Aufgaben eingedeckt wurden: Maschinenbau, Elektronik, Communication Engineering, Technische, Wirtschafts- und Medieninformatik, internationale Betriebswirtschaftslehre (BWL) und Recht.

In der Werkstatt wurde ein Modell erstellt im Maßstab 1:10. Als Konstrukteur des Trimarans konnte der Amerikaner Dick Newick gewonnen werden, der als Kapazität gilt. Besonders stolz sind die Beteiligten verständlicherweise, daß sie ihr Boot in ihren Zentralwerkstätten wie Schreinerei und Mechanik ganz allein gebaut haben. Drei bis vier Mitarbeiter werkelten von April bis Dezember durchgehend, unterstützt von bis zu 160 Studenten, die unzählige Arbeitsstunden ableisteten. Und Aufgaben in Marketing und Organisation wurden in reguläre Lehrveranstaltungen integriert, was deren Praxisbezug nur guttun konnte.

Doch natürlich konnte die Furtwanger FH auch unter Bündelung aller Kräfte dieses komplexe Projekt nicht allein bewältigen. Vielmehr wurde eine internationale Kooperation angestrebt und auch realisiert. So suchte beispielsweise die Schiffahrtsschule im

___ polnischen Stettin die günstigste Route auf den Weltmeeren aus. Gegenwärtig sind außer den USA und Polen noch "Aktivisten" aus Rumänien, Australien, Neuseeland und Brasilien einbezogen. Daß es sich um ein "globales Projekt" handeln soll, klingt auch im Bootsnamen an: "RelationShip" ist das Ergebnis eines - natürlich "hausinteren" - Marketing-Workshops und verweist auf (internationale) Beziehungen, wie die Initiatoren ihrerseits gern auf den völkerverbindenden Aspekt ihres Vorhabens verweisen. Der Name wird übrigens geschützt und auf Produkten wie T-Shirts und CD.ROMs vermarktet. Dieses Merchantdising soll natürlich Geld bringen denn beim Stapellauf auf dem Rhein war der weltweite Segeltörn finanziell noch nicht gesichert.

"Aber es sieht ganz gut aus", versichert Professor Rolf Katzsch, als Wirtschaftsinformatiker zuständig für Koordination und Öffentlichkeitsarbeit. Rund drei Millionen Mark Kosten sind alles in allem veranschlagt und die sollen praktisch ausschließlich von Sponsoren gedeckt werden. Öffentliche Mittel gibt’s keine, "abgesehen von den Mitarbeiterstunden" der FH-Beschäftigten. Die 28 000 Mark "Startkapital" von der Fördergesellschaft der FH würden gerade mal die Satellitenkosten für einen Monat auf See decken. "Das Materialsponsoring läuft gut", verrät Katzsch, wogegen das "Financial Sponsoring" noch ein Problem sei.

Gesichert ist vorerst die Testfahrt mit Crew nach Lissabon zur Weltausstellung "EXPO" im April/Mai. Von dort aus soll der Trimaran an 1.Juni, nur mit drei Computern und zwei auf Schwenk- und Neigeköpfen montierte Videokameras ausgestattet, auf große Fahrt gehen. Die anvisierten Etappenziele heißen Kanarische Inseln, Kapstadt, Freemantle/Australien, Oakland/Neuseeland, Chile, Rio de Janeiro, New York und Shannon/Irland, wo der weltweit erste Trip dieser Art nach 15 bis 16 Monaten enden soll. Dort soll im September 1999 eine Besatzung an Bord gehen und die "RelationShip" nach Wilhelmshaven segeln. Für Mai 2000 ist die Präsentation auf der "EXPO" in Hannover vorgesehen.

Als "technologische Spitzenleistung" rühmte der beim Abflug abwesende Ministerpräsident Erwin Teufel das Trimaran-Projekt, für das er auch die Schirmherrschaft übernommen hatte.

Die Fernsteuerung des High-Tech-Boots wird von zwei Leitstellen in Furtwangen und Schwenningen erfolgen, die rund um die Uhr besetzt sind, auch von Studenten. Der Datenverkehr läuft über Funkstrecken, die Steuerung wird über die Satelliten ausgelöst. Eine weitere Kontrollmöglichkeit bietet das Internet (http://www.fh-furtwangen.de) als "permanenter Ausguck", so Katzsch. Befragt nach dem größten Aufwand für das Projekt, brauchte er nicht lange zu überlegen: "die Nerven". Ohne die geht’s eben nicht, wenn man die Herausforderungen annimmt, die visionäre Ziele so mit sich bringen. Nicht umsonst heißt das sinn- und identitätsstiftende Motto der FH-Crew und derer in ihrem Kielwasser neuerdings (natürlich in der Technik- und Wirtschaftssprache) "be part of the challenge". Denn man tow!

Annemarie Zwick

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