RelationShip

Süddeutsch Zeitung 29. Jan 1998: Seite: 1 / 1

Brücke ohne Kapitän

Unbemannter Trimaran soll ferngesteuert die Weltmeere umsegeln

Ein Schiff wird kommen . . ., doch das bringt nicht den einen, sondern gar keinen wenn alles so läuft, wie Volker Möhlmann es sich vorstellt. Wir werden die ersten sein, die mit einem unbemannten Boot die Welt umsegeln, erklärt stolz der Ingenieur aus dem kleinen Ort Furtwangen im Schwarzwald.

RelationShip heißt der 11,3 Meter lange Trimaran, der an der Fachhochschule Furtwangen gebaut und auf der Messe Boot vergangene Woche in Düsseldorf erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Statt einer Besatzung trägt der schwimmende Untersatz drei Hochleistungscomputer und drei Kameras. Ein Trimaran ist eine extrem kentersichere Bootsform, denn der schlanke Mittelrumpf ist von zwei festen Auslegern flankiert. Für flottes Tempo bis zu 50 Kilometer pro Stunde sorgt ein dreizehn Meter hoher Mast aus Kohlefaser, an dem 53 Quadratmeter Segelfläche aufgezogen werden können.

Im Juni 1998 soll die Konstruktion von Lissabon, dem Ort der Weltausstellung, zu einer zwei Jahre dauernden Reise über die Weltmeere aufbrechen, um ihre einsame Mission dann auf der Expo 2000 in Hannover zu beenden. 160 Studenten und acht Professoren aus allen Fachbereichen der Fachhochschule Furtwangen haben das Boot gebaut, Software entwickelt oder Sponsoren für das drei Millionen Mark teure Projekt geworben.

Doch wie findet RelationShip seinen Weg ? Satelliten des Global Positioning Systems (GPS) lokalisieren den Trimaran und funken dessen Position an zwei Steuerungszentralen in Furtwangen, die rund um die Uhr besetzt sein werden. Computer ermitteln den genauen Kurs und geben ihn über Satellit an die Bordrechner weiter. Gesteuert wird der Mast hydraulisch, den Strom liefern Solarzellen beziehungsweise produziert ein kleines Dieselaggregat.

Zugleich empfangen die Steuerungsrechner über die Kameras des Schiffes stets aktuelle Bilder von dessen jeweiliger Umgebung. Für den Normalbetrieb reicht dabei Inmarsat-C ein Satellitensystem, das für den Seenotruf entwickelt wurde. Es überträgt Informationen mit einer Geschwindigkeit von 600 Bit pro Sekunde.

___ Eine weitere Idee der Furtwängler ließe sich mit einer so geringen Bildübertragungsrate allerdings nicht realisieren, wie Möhlmann weiß: Wir wollen regelmäßig Bilder von Bord der RelationShip in das Internet stellen. Rund um den Globus wird dann jeder, der möchte, pazifische Sonnenuntergänge oder atlantische Stürme beobachten können Surfen im Netz wird damit sprichwörtlich. Zwei hochauflösende Kameras werden diese Bilder über ein Inmarsat-M-System mit 2,4 Kilobyte pro Sekunde ausstrahlen (http://www.fh-furtwangen. de).

Doch RelationShip ist nicht einfach nur die überdimensionale High-Tech-Variante eines ferngesteuerten Modellbootes. Vielmehr kann das Schiff sich innerhalb der vorgegebenen Parameter auch selbst steuern. Es geht an Bord genauso zu wie auf einem bemannten Schiff. Es gibt zum Beispiel einen virtuellen Kapitän und einen virtuellen Rudergänger.

Volker Möhlmann ist stolz auf die ausgeklügelten Programme und Sensoren, mit denen RelationShip sich selbständig an veränderte Wetterbedingungen oder unerwartete Hindernisse anpaßt. Die Bordsysteme sind so programmiert, daß sie den optimalen Weg auch selber finden können. Nur in Extremsituationen, sollte beispielsweise ein Riesentanker auf Kollisionskurs gehen, muß die Leitstelle lenkend eingreifen. Allerdings ist so etwas wenig wahrscheinlich, denn der Kurs der RelationShip wird abseits der befahrenen Routen verlaufen.

Ein wenig mehr Sorgen macht den Professoren und Studenten der Fachhochschule Furtwangen ein rechtliches Problem. Das unbemannte Schiff fällt nämlich in die Kategorie Treibgut. Und das kann sich theoretisch jeder aneignen. Einstiegsluke und Instrumente des Dreirümpflers sind deshalb durch spezielle elektronischeZugangskontrollverfahren gesichert. Allerdings: Wer würde es schon riskieren, das Schiff zu stehlen, wenn ihm dabeiTausende im Internet zusehen?

KAY MÜLLGES

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