RelationShip

Badische Zeitung 07. Jan. 1998: Seite: 1 / 1

Heute soll ein Spektakuläres Projekt der Fachhochschule Furtwangen starten

Weltumsegelung unter der Teilhabe von Hunderttausenden

Von unserem Mitarbeiter Jürgen Ruf

Der Schirmherr des Projekts findet große Worte. ‘Solche Ideen bringen unser Land voran’, sagt Erwin Teufel, baden-württembergischer Ministerpräsident und CDU-Landtagsabgeordneter im Schwarzwald-Baar-Kreis. Deshalb habe er sich für das ehrgeizige Vorhaben ‘RelationShip’ begeistern lassen. Das Projekt, für das Teufel die Werbetrommel rührt, ist in der Tat einmalig in der Geschichte der Schiffahrt. Denn mit einem 11,30 Meter langen und 9,50 Meter breiten Trimaran wagt sich die Furtwanger Fachhochschule aufs Meer. Das Neue daran: Das dreirümpfige Gefährt, an dem Studenten und Professoren seit einem halben Jahr basteln, soll unbemannt und ferngesteuert die Welt umsegeln. Heute wird das 2,5 Tonnen schwere Schiff von einem Transporthubschrauber der Bundeswehr an die Leine genommen und von Furtwangen an den Rhein bei Breisach geflogen. Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit.

Die Idee für den Bau des Trimarans hatte der 47jährige Professor Reiner Schmid. Der leidenschaftliche Hobbysegler wollte mit dieser spektakulären Aktion für die FH Furtwangen Werbung machen. Die Idee einer Weltumseglung faszinierte Studenten und Professoren gleichermaßen. Besonders, weil jeder teilhaben kann. Per Internet können Segelbegeisterte anheuern und mitsurfen.

Mitglieder aller acht Fachbereiche beteiligten sich am Trimaran-Bau. Aus dem Modell im Maßstab 1:10 ist mittlerweile ein segelfähiges Schiff geworden, 160 Studenten sowie zahlreiche Professoren und Techniker legten Hand an. Eine besondere Gleitfähigkeit, Stabilität und Schnelligkeit zeichnen den Trimaran aus. Bei guten Bedingungen erreicht die Konstruktion aus Zedernholz, glas- und Kohlefaser eine Höchstgeschwindigkeit von 40 Stundenkilometern.

Gesteuert wird das menschenleere Boot - die Crew besteht aus drei Computern - per Satellit. Zwei Rechenzentren in Furtwangen und Villingen-Schwenningen werden rund um die Uhr besetzt sein. Die Bilder der Entdeckungsfahrt werden direkt ins Internet übertragen. Zu diesem Zweck wurden zwei Videokameras mit Schwenk- und Neigeköpfen an Bord installiert. Wer mehr wissen will, kann sich per Mausklick über die Kursdaten, das Wetter und die weitere Route informieren. Den Strom für die auf dem Schiff befindlichen Geräte liefern sturmsichere Sonnenkollektoren. ‘Das ist eine noch nie verwirklichte Vision’, schwärmt Schmid: ‘Für

___ Hunderttausende wird ein Traum wahr, sie können die Welt umsegeln, einen Atlantik-Sonnenuntergang oder einen Orkan live miterleben.’

Von Breisach aus wird der High-Tech-Trimaran - zunächst noch bemannt - Kurs auf Düsseldorf nehmen. Dort wird er am 17. Januar auf der weltweit größten Fachmesse ‘boot’ der Öffentlichkeit vorgestellt, anschließend wird auf der EXPO ’98 in Lissabon ausgestellt. Danach geht es auf hohe See. Die geplante Reiseroute: Südafrika, Australien, Süd- und Nordamerika. Bei Zwischenstopps in Kapstadt, Neuseeland, Santiago de Chile, Buenos Aires, Rio de Janeiro, New York und Irland soll die Technik überprüft werden. Im September 1999 wird der Furtwanger Trimaran in die Uhrmacherstadt zurückkehren - wenn er denn den Wellen trotzt.

Von der öffentlichen Hand gibt es für das drei Millionen Mark teure Vorhaben keinen Pfennig. Im Gegenteil: Die Bundeswehr kassiert für den Transport von Furtwangen nach Breisach, der den Einsatz mehrerer Helikopter erfordert, insgesamt 17 400 Mark.

Weil sich der Staat zurückhält, ist das Prestigeprojekt auf Sponsoren aus der Wirtschaft angewiesen. Unternehmen wurde die Möglichkeit eingeräumt, an den Rümpfen und auf dem Großsegel Werbung zu plazieren. Außerdem schoß die Fördergesellschaft der FH 20 000 Mark zu, und Studenten konnten Anteilscheine von 100 Mark kaufen. Zusätzliches Geld soll durch die Vermarktung von T-Shirts und anderen ‘Fanartikeln’ hereinkommen. ‘Wir müssen

betteln gehen, damit unser Projekt realisiert werden kann’, sagt Wirtschaftsinformatiker Rolf Katzsch. ‘Ohne die Hilfe der Sponsoren, hätten wir nicht einmal ein Schräubchen finanzieren können.’

Der Schirmherr hält auch dies für zukunftsweisend. ‘Wir wollen unsere Hochschulen auch in finanzieller Sicht unabhängiger machen’, sagt Erwin Teufel. Am Beispiel des Trimarans zeigte sich, daß ‘gute und innovative Ideen von der Wirtschaft ‘tatkräftig unterstützt werden’. Teufels Schlußfolgerung: ‘Dies ist der Weg, den die Hochschule gehen müssen, damit wir eine dauerhafte Verzahnung zwischen Wirtschaft und Hochschule erreichen.’ Die Show will sich der Politiker aber nicht stehlen lassen. Die Festrede zum Stapellauf wird er selbst halten. Die Taufe des Trimarans übernimmt Ehefrau Edeltraud.

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