Ein
Team der Fachhochschule Furtwangen baut ein
ziemlich seltsames Segelschiff namens
RelationShip: Das elf Meter lange Gefährt soll
Anfang des kommenden Jahres selbst- und
ferngesteuert rund um den Globus schippern.
Obwohl sich keine Crew an Bord befindet, dürfte
das Schiff einer einmalig großen Schar von
Schaulustigen Gelegenheit bieten, die Weltmeere
zu entdecken: Das Internet macht's möglich. Zwei
bewegliche, hochauflösende Farbkameras werden
ihre Sicht auf Stürme und Sonnenuntergänge via
Satellit ins Netz funken. Weltweit kann sich dann
jeder einen virtuellen Hochseetörn gönnen -
"Internet-Surfen", beinahe wörtlich
genommen. "Anlaß
für dieses ungewöhnliche Projektwaren letztlich
die rückläufigen Studentenzahlen der
Hochschule", sagt Reiner Schmid, selbst
Hochseesegler und Initiator des Vorhabens.
Gesucht war eine Idee, für die sich die
Studenten und Beschäftigten der Schwarzwälder
Hochschule begeistern könnten. Bald entstand der
Vorschlag, einen hochseetauglichen Trimaran zu
bauen - und das mitten im Hochschwarzwald. Ein
Student lästerte, das sei, "wie wenn
Eskimos französischen Rotwein anbauen".
Doch dem Senat gefiel die Idee,
der ungewöhnliche Schiffsbau wurde zum
offiziellen Projekt der Hochschule, an der 2200
junge Menschen studieren. Die interdisziplinäre
Aufgabe, ein ferngesteuertes autonomes System zu
entwickeln, soll die Leistungsfähigkeit der
Fachhochschule Furtwangen demonstrieren und
internationale Kontakte fördern. Der
Wirtschaftsinformatiker Rolf Katzsch,
Marketingmann der Hochschule und ebenfalls ein
passionierter Hochseesegler, meint, mit diesem
Projekt ließen sich die Studenten an ihre
spätere Berufswelt heranführen.
Das gilt auch fürs Geld: Das
Roboterschiff dürfte zwei bis drei Millionen
Mark kosten. Da müssen Sponsoren gefunden
werden. Einige Firmen liefern moderne Technik,
von der GPS-Satellitenortung bis hin zu zwanzig
Quadratmeter Hochleitsungssolarzellen für die
Stromversorgung. Die Schiffahrtsschule Stettin
plant die Route der Weltumsegelung;
Fluggesellschaften sollen sporadische Reisen zum
jeweiligen Standort des Schiffs beisteuern; die
Telekom wird gebeten, Satellitenkanäle für
Bilddaten und eventuell notwendige
Steuerungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen.
Gedacht ist auch an eine Art InternetShop, der
allerlei Waren und Dienstleitungen feilbietet,
die zum Thema passen.
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Einer
der wichtigsten Sponsoren ist der amerikanische
Schiffsbauer Dick Newick. Nach seinen
Trimaranplänen bauen derzeit begeisterte
Dozenten, Studenten und Handwerker der FH in
einem alten, zur Werft umfunktionierten
Fabrikgebäude das dreirümpfige Geisterschiff
aus Zedernholz, Epoxidharz und Kohlefaser fertig.
Anfang Januar soll der Trimaran - versehen mit
einem 13 Meter hohen, drehbaren Kohlefasermast
und 53 Quadratmeter Segelfläche- per
Bundeswehr-Hubschrauber aus dem Hochschwarzwald
zum ersten Wasserkontakt an den Rhein geflogen
werden, ein medienwirksames Spektakel. Nach der
Jungfernfahrt soll die RelationShip dann die
Düsseldorfer Bootsmesse im Januar 1998 zieren. Zwei Monate später überführt eine
Mannschaft das Schiff via Ärmelkanal nach
Lissabon. Von dort aus startet dann der Trimaran
im Juni 1998 in den Atlantik. Drei
Hochleistungsrechner an Bord des zweieinhalb
Tonnen schweren Schiffes, zwei
Inmarsatz-M-Verbindungen zu einer der rund um die
Uhr besetzten Leitstellen in Furtwangen halten
dann Kurs auf Südafrika, Australien, Neuseeland,
Südamerika und schließlich gegen September 1999
wieder auf Europa. Den Leitstellen werden
Meßdaten wie Position, Windstärke und
-richtung, Seegang, Ruderbewegungen,
Segelstellung und aktuelle Wetterinformationen
übermittelt.
Damit auf der langen Reise
nichts dazwischenkommt, zeigt ein Radarschirm der
Leitstelle selbst kleine Schiffe im Umfeld des
Trimarans an. Nur Kleinstschiffe werden nicht
auszumachen sein - hier müssen Kameras helfen.
Nach internationalem Seeverkehrsrecht haben
Segelschiffe zwar Vorfahrt. "Bei einem
großen Frachter lassen wir es aber nicht darauf
ankommen", sagt Katzsch.
Auch in einem anderen Punkt
mißtrauen die Wissenschaftler dem Seerecht: Es
verbucht ein derartiges unbemanntes Schiff trotz
Selbst- und Fernsteuerung derzeit in der
Kategorie "Treibgut". Würde es
entwendet, käme dies nur einer anstößigen,
nicht aber rechtswidrigen Inbesitznahme gleich -
freilich unter den Augen zahlreicher Zeugen auf
der ganzen Welt.
Von Wolfgang Trenkle
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