Ein
großes Bierzelt auf dem Parkplatz der Furtwanger
Fachhochschule trotzt seit gut einer Woche dem
naßkalten Dezemberwetter im Schwarzwald. Im
Innern herrscht Hochbetrieb: Hier, gut 800 Meter
über dem Meer, wird ein Schiff gebaut. Es soll
als erstes Schiff demnächst unbemannt die Welt
umsegeln. Studenten, Professoren und technische
Angestellte in staubigen Arbeitsoveralls legen
letzte Hand an den Trimaran, der in den
vergangenen fünf Monaten in ungezählten
Arbeitsstunden Gestalt angenommen hat. Die drei Rümpfe aus Zedernholz müssen
auf der Innen- und auf der Außenseite mit
Glas-Kohlefaser-Matten beschichtet werden, um das
Boot seetauglich zu machen. Die alte
Fabrikationshalle im zweiten Stock des
Hochschulgebäudes, die den Schiffsbauern
monatelang als Werft diente, ist für das elf
Meter lange und neun Meter breite Schiff zu eng
geworden.
Bevor der Hauptrumpf mit seinen
beiden kleineren Seitenrümpfen vereinigt werden
konnte, mußte die "RelationShip" die
Halle verlassen und mit Hilfe eines Baukrans acht
Meter in die Tiefe transportiert werden.
An Bord werden modernste
Rechner das Kommando übernehmen, mit Solarstrom
gespeiste Elektromotoren reffen die Segel. Über
Satellit gehen Videobilder an die Zentrale im
Schwarzwald, von wo das autonome Schiff rund um
die Uhr beobachtet wird und notfalls
ferngesteuert werden kann.
Segelfans in aller Welt können
über Internet mit dabeisein. Vor fast einem Jahr
wurde die Idee geboren. Anfangs als Spinnerei
abgetan, wird das Projekt RelationShip heute
schon als Geburtsstunde der unbemannten Seefahrt
gefeiert. Professor Reiner Schmid, der Initiator
des Projekts, für das Ministerpräsident Erwin
Teufel die Schirmherrschaft übernommen hat,
läßt sich von derlei Vorschußlorbeeren kaum
beeindrucken.
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Ihn
und seine vielen Mitstreiter an der
Fachhochschule beschäftigen ganz praktische
Fragen, die gelöst werden müssen, lange bevor
das Schiff im Juni nächsten Jahres von Lissabon
aus auf die große Reise geht. Die Zeit drängt,
denn am 7. Januar soll der Trimaran mit einem
Bundeswehr-Hubschrauber zum Rhein geflogen und
dort zu Wasser gelassen werden. Von dort geht's
nach Düsseldorf, wo das Schiff auf der
"boot" ausgestellt wird. Trotz großzügiger Unterstützung von
seiten eines Computerherstellers, verschiedenster
Sponsoren und auch der Bundeswehr, die nur einen
Teil der tatsächlichen Transportkosten in
Rechnung stellt, steht die Finanzierung des
Projekts bisher auf unsicheren Füßen, denn
öffentliche Gelder fließen nicht. Immerhin, so
zeigt sich Professor Schmied zufrieden, ist der
Bau des Schiffes und auch die technische
Ausstattung weitgehend finanziert. Für die
Reisekosten hoffen er und seine Kollegen auf
weitere Sponsoren. Neben den Kosten für die
Kommunikation über das Inmarsat-Satellitensystem
sind es vor allem Reisekosten für die Crews, die
das Schiff jeweils durch die Zwölfmeilenzone vor
den Küsten zu den Häfen segeln werden. Erst
nach Verlassen der Küstenregionen werden sie das
Kommando dann wieder an die Leitstelle der
Hochschule im Schwarzwald übergeben. Die
seerechtlichen Probleme, die den Planern lange
Kopfzerbrechen gemacht haben, scheinen
mittlerweile gelöst. Da ein unbemanntes Schiff
in der Seefahrt gemeinhin als Treibgut gilt, soll
der Trimaran durch besondere Kennzeichnung als
Forschungsschiff ausgewiesen werden. Er genießt
dann Vorfahrt vor fast allen anderen
Wasserfahrzeugen. Der Ausguck, den auch ein
Forschungsschiff haben muß, wird rund um die Uhr
zugesichert. Wenn auch zeitweise vom anderen Ende
der Welt.
Bettina Schmitt-Hönl
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